Die Kunst hat sich schon immer mit der Natur beschäftigt. Die Ausstellung in Baden-Baden eröffnet aber ganz neue Erlebnisse und beglückende Momente.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Eine schöne Vorstellung wäre es durchaus, wenn all die ernsthaften Museumsbesucher die Schuhe von sich werfen würden, auf den Congas trommelten, die Klangschalen zum Schwingen brächten und alle anderen frei und fröhlich tanzen würden – mitten in der Ausstellung.

 

Im Museum Frieder Burda in Baden-Baden geht es dann doch etwas ruhiger zu, auch wenn immer mal jemand verschämt trommelt oder zaghaft auf der metallenen Handpan eine leise Melodie erprobt. Dabei hat Ernesto Neto alles getan, damit sich die Besucher wohlfühlen. Töpfe mit Rosmarin, Basilikum und Lavendel verbreiten wohlige Düfte; weiche Kissen in einem bunten Häkelzelt laden zum Lümmeln, Träumen, Meditieren oder eben Tanzen ein.

In der neuen Ausstellung im Burda-Museum werden die Sinne auf vielerlei Weise gekitzelt. Unter dem Titel „I Feel the Earth Whisper“ soll die Natur erlebbar gemacht werden, taucht man ein in Erlebnisräume von vier Künstlern. Ernesto Neto, der älteste der Runde, hat schon in den 1980er Jahren begonnen, das Publikum einzubinden in sinnliche Wohlfühlambiente. Bis heute wirkt ein solches Verständnis von Kunst radikal und bemerkenswert.

Schade, dass man nicht mehr an Waldgeister glauben kann

Auch in dem Raum, den Bianca Bondi geschaffen hat, riecht es, wenn auch nicht so angenehm wie bei Ernesto Neto. Die Künstlerin hat die Natur direkt ins Museum geholt – hier etwas Moos, dort Baumgerippe und Hortensien, die vor Stoffbildern hängen. Sie will an vergangene Mythen aus dem Schwarzwald erinnern – und wie man so umfangen wird von diesen düsteren Bildern und beiläufigen Objekten, hier einem Glasflakon, dort einer Muschelvase, fühlt man sich ein wenig ausgeschlossen, denn all die Waldgeister, Elfen und Feen, die frühere Generationen begleiteten, wurden längst von der Ratio aus unserem Leben verbannt.

Unser Verhältnis zur Natur war immer schon Thema der Kunst, passt aber besonders gut ins Museum Frieder Burda, das mit der Ausstellung seinen zwanzigsten Geburtstag feiert. Die vielen Ausblicke in den Park machen die Qualität des Gebäudes bewusst: Statt auf einen der üblichen Waschbetonsolitäre zu setzen, besticht das Burda-Museum bis heute durch seine unaufdringliche Offenheit. Richard Meier baute keinen White Cube, in dem Kunst störungsfrei und fernab der Realität zelebriert werden soll, sondern ein der Stadt und dem Publikum zugewandtes Haus.

Im Burda-Museum fühlt man sich wohl

Dass man sich im Museum auch wohlfühlen kann, beweisen wie nebenbei die langen Rampen, über die man die Etagen entspannt erklimmt – während man in anderen Häusern meist zahllose Treppen erklimmen muss. Hier aber gelangt man leichtfüßig ins Obergeschoss, wo Julian Charrière ein besonderes Erlebnis zaubert. Er hat im Regenwald von Ecuador eine solarbetriebene Kamera installiert, sodass man nun in Baden-Baden live erleben kann, wie es im Unterholz raschelt und sich die saftigen Blätter wiegen. Mehr noch: Ein schlichtes Telefon eröffnet fantastische Möglichkeiten, denn wer hineinspricht, spricht mit dem Regenwald höchst selbst und kann ihm vielleicht eine hoffnungsvolle Botschaft zurufen.

Sam Falls lässt dagegen die Natur selbst sprechen – wenn auch lautlos. Er legt Leinwände direkt in den Wald, arrangiert darauf Pflanzen, Blüten, Blätter, die im Lauf der Monate durch Regen und Sonne Abdrücke auf der Fläche hinterlassen. Auf den Bildern, die in der Ausstellung hängen, erkennt man Efeu, Fingerhut und Ahornblätter, die sich auf magische Weise selbst verewigt haben.

Idee des Sammlers lebt weiter

Nachfolge
Frieder Burda ernannte noch vor seinem Tod im Jahr 2019 Henning Schaper zum Direktor seines Museums. Die Verantwortung für seine Sammlung übergab er seiner Stieftochter Patricia Kamp, die bereits 2016 in Berlin die Dependance „Berliner Salon“ eröffnete.

Ausstellung
„I Feel The Earth Whisper“ läuft bis 3. November und ist von Dienstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr geöffnet.