Aber in allen anderen Punkten setzte sich die Berlusconi-Familie in der deutschen TV-Gruppe durch. Ihr Konzern MFE hat nun mit PPF den Aufsichtsrat der Deutschen im Griff.

So spannend ist das Programm auf den Sendern der Münchner TV-Gruppe ProSiebenSat1 nicht immer. In einer kontroversen Hauptversammlung konnten Vorstand und Aufsichtsrat des Konzerns gerade noch den Auftrag zu dessen Aufspaltung abwenden. Zwar hat Großaktionär Media for Europe (MFE) beim Eignertreffen mit einem Antrag dazu rund 71 Prozent der Stimmen erreicht. Für die verlangte Zweiteilung von ProSiebenSat1 wäre aber wegen der enormen Bedeutung dieses Vorgangs eine Mehrheit von 75 Prozent nötig gewesen. Zuvor war eine MFE-Vertreterin Vorstand und Aufsichtsräte der deutschen TV-Gruppe hart angegangen. „MFE ist enttäuscht von vielen leeren Versprechen“, kritisierte sie.

 

Die Vorstandsstrategie der letzten zwölf Monate habe für den Konzern keine Werte geschaffen. Speziell bei der Trennung von nicht zum TV-Kerngeschäft zählenden Aktivitäten sei „entschlossenes und zeitnahes Handeln erforderlich“, betonte die MFE-Vertreterin. Damit waren sofortige Vorbereitungen zur Abspaltung von Randaktivitäten wie dem Vergleichsportal Verivox, der Dating-Plattform Parship oder des Kosmetikhändlers Flaconi in einen separaten börsennotierten Konzern gemeint.

„Nicht funktionierender Mischkonzern“

Im jetzigen Zustand sei ProSiebenSat1 ein nicht funktionierender Mischkonzern, der sein TV-Kerngeschäft vernachlässige, lautet das vernichtende Urteil der MFE-Vertreterin. MFE wird von der italienischen Berlusconi- Familie kontrolliert, die nun offen nach der Macht bei ProSiebenSat1 greift. MFE hält knapp 30 Prozent an der deutschen TV-Gruppe. Die tschechische PPF-Gruppe kommt als zweiter Großaktionär auf weitere 11,6 Prozent. Das Abstimmungsverhalten beim Eignertreffen legt nahe, dass MFE und PPF hinter den Kulissen kooperieren.

Denn das Duo hat mit identischen Abstimmungswerten ihre jeweils eigenen Aufsichtsratskandidaten für ProSiebenSat1 durchgesetzt und das gegen das ausdrückliche Votum des Vorstands um Konzernchef Bert Habets. Es droht eine Absetzung von Habets als nächster Schritt, falls der angesichts der neuen Machtverhältnisse nicht ohnehin aufgibt. „Es ist nicht nachvollziehbar, mit welcher Vehemenz sich der Vorstand wehrt“, meinte die MFE-Vertreterin drohend an die Adresse von Habets & Co. MFE sei nun zum Verlassen der Komfortzone gezwungen.

Erreicht haben die Italiener bereits eine Abberufung von Aufsichtsratsvize Rolf Nonnenmacher. Bei ihm stellt MFE eine Befangenheit im jüngsten ProSiebenSat1-Skandal um die Beteiligung beim Gutscheinanbieter Jochen Schweizer in den Raum. Der hatte jahrelang illegal ohne eine nötige Lizenz gearbeitet, was Geldbußen und strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann. Zudem hatten Ex-Vorstände von ProSiebenSat1 vom illegalen Tun gewusst.

Es gibt Vertuschungsvorwürfe

„Hier wurde vertuscht“, räumte Aufsichtsratschef Andreas Wiele jetzt ein. Gegen zwei Ex-Vorstände gebe es einen solchen Verdacht. Externe Untersuchungen hätten das ergeben. Regressansprüche würden deshalb gerade geprüft. Verdachtsmomente gegen Aufsichtsräte gebe es dagegen nicht. Deshalb ist auch die von MFE erzwungene Ablösung Nonnenmachers fragwürdig und das umso mehr, wenn man auf seinen Ersatzmann blickt.

Das ist mit Simone Scettri ein langjähriger Mitarbeiter des Wirtschaftsprüfers EY. Der hatte auch bei ProSiebenSat1 die Geschäfte von Jochen Schweizer geprüft und durchgewunken, weshalb ProSiebenSat1 auch ein Rechtsgutachten zu einer möglichen Mitverantwortung von EY für den Skandal in Auftrag gegeben hat. Das Gutachten bejaht eine solche, gab Wiele bekannt. Für Scettri als neuen Aufseher bei ProSiebenSat1, der den Fall Jochen Schweizer nun mitaufarbeiten soll, sei deshalb ein Interessenskonflikt möglich, hatten Vorstand und Aufsichtsrat der deutschen TV-Gruppe gewarnt.

Das ist nicht von der Hand zu weisen. Dennoch hat MFE Scettri durchgedrückt und Nonnenmacher ausgebootet. Auch der knapp gescheiterte Auftrag an den Vorstand von ProSiebenSat1, die Zweiteilung des eigenen Konzerns vorzubereiten, hat einen üblen Beigeschmack. Ein solcher Schritt, der Nettofinanzschulden im Umfang von gut 1,5 Milliarden Euro dann bei einem kleineren TV-Konzern mit nur noch 2,6 statt 3,9 Milliarden Euro Umsatz belasse, würde die Marktkapitalisierung von ProSiebenSat1 auf nahe Null senken, hatten Vorstand und Aufsichtsrat im Vorfeld gewarnt. Was das bedeutet, haben Finanzexperten der britischen Barclays Bank analysiert.

Aufspaltungstrick gescheitert – vorerst

„Kurz gesagt, der Vorschlag von MFE, das Unternehmen aufzuspalten und alle Vermögenswerte nach Geschäftsbereichen aufzuteilen, könnte als ein Trick angesehen werden, um das Kerngeschäft von ProSiebenSat1 für so gut wie nichts kaufen zu können“, vermuten nicht nur sie. Schon länger plant MFE eine paneuropäische Medienholding, die über bestehende Aktivitäten in Italien und Spanien hinausgeht. Zu aktuellen Börsenwerten würde die Übernahme von ProSiebenSat1 und deren Einverleibung in diese Medienholding gut eine Milliarde Euro kosten. Diese Kosten durch den Aufspaltungstrick auf nahe Null zu stellen, ist vorerst gescheitert. Aber das kann sich mit den neuen Machtverhältnissen bei ProSiebenSat1 noch ändern.