Plötzlich gab es nirgendwo mehr Mammuts. Wirklich nirgends? Doch: Auf einer Insel hielten sie sich noch über dutzende Generationen einige. Durch die geringe Zahl gab es viel Inzucht. Ursache für das Ende der Art war die aber wohl nicht. Eine neue Studie gibt die Antwort.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Aus höchstens acht Tieren entwickelte sich einer Studie zufolge die weltweit letzte Population von Wollhaarmammuts (Mammuthus primigenius). Trotz dieser geringen Zahl seien die Tiere auf der Wrangelinsel vor der sibirischen Küste wohl nicht infolge von Inzucht ausgestorben, berichtet ein Forscherteam im Fachmagazin „Cell Press“.

 

Vielmehr habe sie wahrscheinlich ein zufälliges Ereignis ausgelöscht. „Und wenn dieses zufällige Ereignis nicht stattgefunden hätte, gäbe es heute noch Mammuts“, sagt Erstautor Love Dalén vom Centre for Palaeogenetics in Stockholm.

Rasche Auslöschung einer ganzen Spezies

Bis vor etwa 4000 Jahren war die Wrangelinsel im Arktischen Ozean Heimat der letzten Eiszeitgiganten. Die Isolation bewahrte sie erst vor dem Tod – und besiegelte dann doch die rasche Auslöschung der ganzen Spezies.

Rund 30 000 Jahre alte Zeichnung eines Mammuts in der Höhle La Baume Latrone nahe der südfranzösischen Stadt Nimes. Foto: Imago/GRANGER Historical Picture Archive

Die letzte Gruppe von Wollhaarmammuts war vor etwa 10 000 Jahren auf der Wrangelinsel nach und nach isoliert worden, als der Meeresspiegel anstieg und so die Insel vom Festland abschnitt. Nach Einschätzung der Wissenschaftler sind die Mammuts auf der Insel 150 Kilometer nördlich der sibirischen Küste nicht wegen langfristiger Klimaveränderungen, sondern infolge eines plötzlichen Szenarios ausgestorben.

Die Tiere, die in den folgenden 6000 Jahren noch dort lebten, stammten der neuen Analyse zufolge von maximal acht Mammuts ab. Die Zahl wuchs dann innerhalb von 20 Generationen auf 200 bis 300 Individuen an, wie die Forschenden berichten. Vor etwa 4000 Jahren starb die Art aus.

Genome von 21 Wollhaarmammuts untersucht

Das Team um Dalén analysierte die Genome von 21 Wollhaarmammuts – 14 von der Wrangelinsel und 7 von der zeitlich zuvor lebenden Festlandpopulation. Insgesamt umspannten die Proben die letzten 50 000 Jahre der Existenz des Wollhaarmammuts und zeigten, wie sich die genetische Vielfalt der Art in diesem Zeitraum veränderte.

Im Vergleich zu ihren Vorfahren auf dem Festland wiesen die Genome der Mammuts von der Wrangelinsel Anzeichen von Inzucht und geringer genetischer Vielfalt auf, erläutern die Wissenschaftler. Betroffen waren demnach unter anderem die Gene für den sogenannten MHC-Komplex, der bei Wirbeltieren eine entscheidende Rolle bei der Immunabwehr spielt.

Love Dalén mit Stoßzahn eines Wollhaarmammuts der Wrangel-Insel. Foto: dpa/Peter Mortensen/palaeome.org
Stoßzahn eines Wollhaarmammuts der Wrangel-Insel Foto: dpa/Love Dalén/palaeome.org

Letzte Mammut-Kolonie auf nordsibirischer Insel

Zwar habe die genetische Vielfalt der Population in den 6000 Jahren Inselleben stetig abgenommen, das aber sehr langsam, heißt es in der Studie. Das deute darauf hin, dass die Populationsgröße bis zum Schluss stabil blieb.

Es sei also nicht so gewesen, dass eine immer stärker verringerte Fitness die Gruppe immer weiter schwinden ließ. „Wir können die Idee, dass die Population einfach zu klein war und sie aus genetischen Gründen zum Aussterben verurteilt waren, nun getrost zurückweisen“, ist Dalén überzeugt.

Allmählich hätten sich bei den Tieren über die insgesamt gut 200 Generationen hinweg schädliche Mutationen angehäuft, allerdings nur mäßig schädliche. Die schädlichsten Mutationen seien hingegen langsam ausgemerzt worden. „Wenn ein Individuum eine extrem schädliche Mutation hat, ist es im Grunde nicht lebensfähig, sodass diese Mutationen im Laufe der Zeit allmählich aus der Population verschwanden“, erklärt der Evolutionsgenetiker.

Wollhaarmammuts in der Eiszeit (Druck von 1907). Foto: Imago/Heritage Images

Letzten 300 Jahre der Population bleibt ein Rätsel

Die letzten 300 Jahre der Existenz der Wollhaarmammuts würden von den berücksichtigten Proben nicht abgedeckt, heißt es seitens der Forscher. „Was am Ende geschah, ist immer noch ein Rätsel. Wir wissen nicht, warum sie ausstarben, nachdem es ihnen 6000 Jahre lang mehr oder weniger gut ging, aber wir glauben, dass es etwas Plötzliches war“, betont Dalén.

Nur auf der Wrangelinsel überlebte eine Kolonie – zunächst. Foto: dpa/Love Dalén/palaeome.org

Vor 4000 Jahren – während die Menschen etwa in Ägypten schon gesellschaftliche Hochkulturen entwickelt und Pyramiden gebaut hatten – starben schließlich auch die letzten Eiszeitriesen auf der Wrangelinsel aus.

Denkbar ist den Forschern zufolge eine Epidemie. Am Menschen jedenfalls habe es in diesem Fall eher nicht gelegen. Der sei nach derzeitigem Kenntnisstand erst vier Jahrhunderte nach dem Verschwinden der Mammuts auf der Insel angelangt