Einkommensarmut betrifft ganz besonders häufig Alleinerziehende und ihre Kinder. Das ist schon länger bekannt. Laut einer neuen Studie der Bertelsmann Stiftung gibt es aber trotzdem kaum Verbesserungen.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Alleinerziehende Familien sind einer Studie zufolge nach wie vor am stärksten von Armut betroffen. Unter den rund 1,7 Millionen Alleinerziehenden mit minderjährigen Kindern waren im vergangenen Jahr 41 Prozent einkommensarm, wie die Bertelsmann Stiftung berichtet. Zum Vergleich: Bei den Paar-Familien galten zwischen acht Prozent (bei einem Kind) und 30 Prozent (bei drei oder mehr minderjährigen Kindern) als armutsgefährdet.

 

Ein-Eltern-Familie: Meist Mutter mit Nachwuchs

Bei den Ein-Eltern-Familien handelt es sich zu rund 82 Prozent um eine alleinerziehende Mutter mit ihrem Nachwuchs, in knapp 18 Prozent um einen alleinerziehenden Vater. An ihrer seit Jahren bekannten häufig prekären Situation habe sich trotz punktueller Erleichterungen kaum etwas verbessert, kritisieren die Studienautoren.

Die Schatten einer erwachsenen Person und eines Kindes sind zu sehen. Foto: dpa/Matthias Hiekel

Fast die Hälfte aller Kinder, die in einer Familie mit Bürgergeldbezug aufwachsen, leben in einem Haushalt mit nur einem Elternteil. Für alleinerziehende Mütter sei das Armutsrisiko besonders hoch. Der Anteil alleinerziehender Haushalte mit Bürgergeld-Bezug liegt in Bremen mit 55 Prozent am höchsten und in Thüringen mit 27 Prozent am niedrigsten.

Ausfallende Unterhaltszahlungen führen häufig in Armut

Häufige Gründe für die finanziell schwierige Situation von alleinerziehenden Familien sind ausfallende Unterhaltszahlungen. „Trotz einzelner sinnvoller Maßnahmen wie Reformen des Unterhaltsvorschusses und des Kinderzuschlags ist es noch immer nicht gelungen, die belastende Situation für viele Alleinerziehende entscheidend zu verbessern“, erklärt Antje Funcke von der Bertelsmann-Stiftung.

Ein Kind steht in Hamburg in abgetragener Kleidung ohne Schuhe in einem Hinterhof (Archivbild). Foto: dpa

Im Jahr 2023 lag der Anteil der alleinerziehenden Väter bei 18 Prozent. Alleinerziehende Mütter leben im Schnitt mit mehr und jüngeren Kindern zusammen. Die Betreuung und Fürsorge für die Kinder erbrachten vor und nach einer Trennung überwiegend die Mütter. Alleinerziehende Mütter leisten im Schnitt über 15 Stunden mehr Care-Arbeit pro Woche als alleinerziehende Väter. Von Armut sind alleinerziehende Mütter deutlich häufiger betroffen.

Westen mehr betroffen als Osten

  • West/Ost: Alleinerziehende Familien sind im Westen Deutschlands seit 2020 häufiger von Sozialleistungen abhängig als alleinerziehende Familien im Osten. Dabei leben im Osten anteilsmäßig mit 25 Prozent mehr alleinerziehende Familien als im Westen mit 19 Prozent. Der Anteil stieg im Westen in den vergangenen Jahren an, während er im Osten ungefähr gleich blieb.
Ein Junge sitzt an einem Tisch und zählt sein gespartes Taschengeld. Foto: dpa/Jens Kalaene
  • Bundesländer: Im Bundesländervergleich ist der Anteil der alleinerziehenden Familien mit 17 Prozent in Bayern und 28 Prozent in Berlin am höchsten.
  • Stadt: Jede fünfte alleinerziehende Familie lebt in einer Stadt mit mehr als einer halben Million Einwohnern. Der Anteil Alleinerziehender, die Bürgergeld beziehen, ist in Bremen mit 55 Prozent am höchsten. In Thüringen ist der Wert mit 27 Prozent am niedrigsten.

Kindergrundsicherung reicht nicht aus

Zwar sei der aktuelle Gesetzesentwurf zur Kindergrundsicherung ein wichtiger Schritt, doch er reiche nicht aus. „In der jetzigen Form wird die Kindergrundsicherung bei Weitem nicht reichen, um alleinerziehende Familien aus der Armutsfalle zu befreien“, erklärt Sarah Menne von der Bertelsmann-Stiftung.

Es seien erneut Verschlechterungen für Alleinerziehende zu befürchten. Die Stiftung forderte Nachbesserungen bei der Anrechnung von Unterhaltszahlungen und eine grundsätzliche Neubestimmung der Leistungen für Kinder und Jugendliche, die sie für das Aufwachsen benötigen.

Info: Armut in Deutschland

Welche Kriterien müssen erfüllt sein, um als arm zu gelten?
Laut Statistischem Bundesamt (Destatis) in Wiesbaden gilt ein Mensch in Deutschland als von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht, wenn mindestens eine der folgenden drei Bedingungen zutrifft:

• Das Einkommen liegt unter der Armutsgefährdungsgrenze.

• Der Haushalt ist von erheblicher materieller und sozialer Entbehrung betroffen.

• Die Person lebt in einem Haushalt mit sehr geringer Erwerbsbeteiligung.

Ab wann ist man armutsgefährdet?
Die Armutsgefährdungsquote gibt den Anteil derjenigen an, deren verfügbares Einkommen unter Einbeziehung möglicher Sozialleistungen unter 60 Prozent des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung liegt. Welche Grade von Armut werden dabei unterschieden?

Erhebliche materielle und soziale Entbehrung:
Den Destatis-Daten zufolge waren 5,1 Millionen Menschen (6,1 Prozent) 2023 von erheblicher materieller und sozialer Entbehrung betroffen (2021: 4,3 Prozent). „Das bedeutet, dass ihre Lebensbedingungen aufgrund von fehlenden finanziellen Mitteln deutlich eingeschränkt waren“, erklären die Destatis-Statistiker. So seien sie beispielsweise nicht in der Lage, Rechnungen für Miete oder Hypotheken zu zahlen, eine Woche in den Urlaub zu fahren, abgewohnte Möbel zu ersetzen oder einmal im Monat im Freundeskreis oder mit der Familie etwas essen oder trinken zu gehen.

Sehr niedrige Erwerbsbeteiligung:
Etwa 9,7 Prozent der Bevölkerung unter 65 Jahren oder 6,1 Millionen Menschen in Deutschland lebten 2022 in einem Haushalt mit sehr niedriger Erwerbsbeteiligung (2021: 9,5 Prozent). „Das heißt, die Haushaltsmitglieder waren insgesamt sehr wenig oder nicht in den Arbeitsmarkt eingebunden“, heißt es seitens des Bundesamtes.