Forscher haben erstmals Riesenvieren auch im grönländischen Eisschild entdeckt. Sie ernähren sich von Schneealgen, deren Blütenteppiche alljährlich das Meereis verfärben und so in der Sonne schneller zum Schmelzen bringen. Lässt sich mithilfe dieser Mega-Viren die Eisschmelze eindämmen?

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Es klingt wie aus einem jener Science-Fiction-Filmen made in Hollywood: Im arktischen Eis werden gigantische Viren entdeckt. Doch ist die Erde durch ihr Auftauen nicht dem Untergang geweiht, wie es in solchen Streifen häufig der Fall ist.

 

Wo Riesenviren bisher entdeckt wurden

Diese Riesenviren (englisch: giant virus, GV, oder girus) existieren tatsächlich. Die überdimensionalen Infektionserreger könnten im Idealfall sogar dazu beitragen, das Abschmelzen der arktischen Eismassen zu verlangsamen und so die globale Erwärmung abzumildern.

Mit der Familie Mimiviridae gehört der Mimivirus, der in dieser 3D-Illustration zu sehen ist, zu den Riesenviren. Foto: Imago/Science Photo Library

Seit ihrer ersten Entdeckung Anfang der 1980er Jahre sind Riesenvieren bereits in den unterschiedlichsten Lebensräumen aufgespürt worden: in salzigen Meeren und im Süßwasser, in Waldböden und in Kläranlagen. Forscher um Laura Perini von der dänischen Universität Aarhus sind jetzt erstmals auch in den Eisschilden Grönlands auf solche Lebensformen gestoßen. Tatsächlich unter dem Mikroskop gesehen hat das Team die viralen Riesen allerdings noch nicht.

Wie die Forscher in ihrer im Fachjournal „Microbiome“ veröffentlichten Studie schreiben, könnten sich die Viren von den in der Arktis weit verbreiteten Schneealgen ernähren und als natürlicher Kontrollmechanismus gegen die Algenblüte wirken.

Was genau sind Riesenviren?

Normale Viren sind rund 1000 Mal kleiner als Bakterien. Riesenviren hingegen sind sowohl von ihrer Größe als auch von ihrem Erbgut (Genom) her deutlich größer. Sie können bis zu 2,5 Mikrometer groß werden, während die meisten Bakterien etwa zwei Mikrometer groß sind.

Riesenviren können bis zu 2,5 Mikrometer groß werden, während die meisten Bakterien etwa zwei Mikrometer groß sind. Foto: Imago/Science Photo Library

Zudem enthalten Riesenviren circa 2,5 Millionen genetische Buchstaben in ihrem Genom – also dem gesamten genetischen Material eines Organismus, das in seiner DNA gespeichert ist – und sind damit weitaus komplexer als normale Viren. Bakteriophagen – das sind Viren, die Bakterien infizieren – haben beispielsweise nur 100.000 bis 200.000 Gen-Buchstaben.

Ökosystem umgibt die Algen

Eine der Proben, in denen das Forscherteam Riesenviren-DNA gefunden hat. Foto: © Laura Perini

Da die viralen DNA-Signaturen vor allem in Proben aus mit Schneealgen bewachsenen Stellen auftauchen, vermuten die Wissenschaftler, dass die Viren diese Algen infizieren und sich so von ihnen ernähren.

„Es gibt ein ganzes Ökosystem, das die Algen umgibt. Neben Bakterien, Fadenpilzen und Hefen gibt es Protisten, welche die Algen fressen, sowie verschiedene Pilzarten, die sie parasitieren. Und die Riesenviren, die wir gefunden haben, die sie infizieren“, erläutert Laura Perini.

Eigentlich sind die arktischen Algen, die während ihrer Blütezeit im Frühjahr große Schneeflächen schwarz, rot und grün einfärben, klimatisch eher problematisch. Denn wenn das Eis bunt und damit dunkler wird, verringert sich seine Fähigkeit, die Sonne zu reflektieren. Dadurch heizt sich die Eisoberfläche auf und das Schmelzen des Eises beschleunigt sich.

Im Frühjahr färben die Algen große Schneeflächen schwarz, rot und grün. Foto: © Laura Perini

Schneealgen sind Lieblingsspeise der Riesenviren

Da die Riesenviren als Algenfresser deren Blüten eindämmen, könnten sie die dunklen Farbflecken auf Schnee und Eis reduzieren. Man müsste nur eine Möglichkeit finden, die Viren auf besonders von Algen bewachsenen Eisflächen auszubringen, spekulieren die Forscher. So ließe sich die durch die Algen verursachte Eisschmelze verringern.

Allerdings ist noch nicht geklärt, wie effizient die Viren tatsächlich als Algenvertilger agieren. „Wenn wir sie weiter erforschen, hoffen wir, einige dieser Fragen beantworten zu können“, sagt Laura Perini.