Budapest übernimmt für sechs Monate die EU-Ratspräsidentschaft. Die Vorbereitungen in der EU laufen auf Hochtouren, damit die Regierung so wenig Schaden anrichten kann wie möglich.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Einen griffigen Slogan haben sich die Ungarn bereits ausgedacht: MEGA. Unter dieses Schlagwort will Budapest seine sechsmonatige EU-Ratspräsidentschaft stellen. Es ist die Abkürzung für „Make Europe Great Again“ (Macht Europa wieder großartig). Wem diese Abkürzung bekannt vorkomme, liege völlig falsch, betont János Bóka, Minister für europäische Angelegenheiten. Es sei natürlich kein Plagiat von Donald Trumps Schlachtruf „MAGA“ (Make America Great Again). Die ungarische Regierung wolle damit nur unterstreichen, dass man eine „aktive Präsidentschaft“ anstrebe.

 

Ungarn gilt als Blockierer in der EU

Diese Aussage klingt in den Ohren vieler Politiker in Brüssel allerdings eher wie eine Drohung. Denn Ungarn ist in der Europäischen Union alles andere als eine positiv gestaltende Kraft. Premier Victor Orbán, der sein Land seit Jahren in autokratischer Manier regiert, gilt als egozentrischer Blockierer und Verhinderer einer einheitlichen und konstruktiven EU-Politik. Wie zum Beweis trat Budapest nur Tage vor dem Beginn der Ratspräsidentschaft am 1. Juli noch einmal beim wichtigen Thema Ukrainehilfe auf die Bremse. Doch die Außenminister waren vorbereitet und konnten bei einem Treffen in Luxemburg mit einem kleinen Winkelzug die rund 1,4 Milliarden Euro für die Unterstützung des von Russland angegriffenen Landes auf den Weg bringen. Damit Ungarn kein Veto einlegen kann, wurde die Entscheidung kurzerhand als Votum eingestuft, das per Mehrheitsbeschluss getroffen werden konnte.

Wegen dieser ständigen Querschüsse aus Budapest laufen in Brüssel die Vorbereitungen auf Hochtouren, damit Ungarn in den kommenden sechs Monaten so wenig politischen Flurschaden anrichten kann wie möglich. So versuchte Belgien, das aktuell die Ratspräsidentschaft innehat, auf den letzten Metern möglichst viele Dossiers abzuarbeiten, die Budapest sonst wohl in der Schublade verschwinden lassen würde. Dazu zählte etwa das jüngst verabschiedete zentrale Gesetz zur Wiederherstellung der Natur. Auch die große Eile bei der Besetzung der EU-Spitzenjobs ist getrieben von der Befürchtung, dass Ungarn in diesem Fall eher spalten als einen könnte.

Das EU-Parlament ist in der Findungsphase

„Es ist nicht der Moment, in dem der Ratsvorsitz eines Landes sehr viel bewegen kann“, betont jedoch Benedek Javor, Leiter der Vertretung der Stadt Budapest in Brüssel. Damit bezieht er sich auf die derzeit laufende Übergangsphase nach der Europawahl. Das Europaparlament und die EU-Kommission sind noch in der Findungsphase, dann kommt die Sommerpause, danach müssen die EU-Kommissare ernannt und von den Abgeordneten bestätigt werden. Die Regierung in Ungarn sei also kaum in der Lage, „wirklich große Schwierigkeiten zu machen“, glaubt Javor. Auch Daniel Freund hofft, dass die ungarische Ratspräsidentschaft möglichst geräuschlos über die Bühne geht. „Das ist die eine Seite“, sagt der Europaparlamentarier der Grünen. „Es besteht aber auch die Gefahr, dass Europa für sechs Monate stillsteht.“ Das sei für Brüssel zwar kein Problem, aber „wenn ich in der Ukraine sitze würde, würde ich mit großen Sorgen auf diese Entwicklung blicken“. Denn jetzt, wo von Russland Kraftwerke in Schutt und Asche gebombt werden und der nächste Winter vor der Tür steht, sei das Land auf die entschlossene Hilfe der Europäischen Union angewiesen.

Ungarns Probleme mit der Rechtsstaatlichkeit

„Natürlich kann Ungarn nicht alleine entscheiden, was in der EU passiert“, sagt Daniel Freund. Aber allein über die Gestaltung der Sitzungspläne des Rates habe die Regierung großen Einfluss. Bisher sei bei den Beratungen der 27 Mitgliedstaaten das Thema Rechtsstaatlichkeit immer wieder ein wichtiger Punkt gewesen, doch der falle dann vorerst wohl weg. Der Grund: Brüssel hält Fördergelder für Budapest unter anderem wegen der Demontage des Rechtsstaates zurück.

Benedek Javor, der Leiter der Vertretung der Stadt Budapest in Brüssel, erklärt, dass es allerdings auch Gemeinsamkeiten in den Zielen von Ungarn und der EU gebe. So wird von der Regierung in Budapest etwa die Entwicklung der Wettbewerbsfähigkeit als eine Priorität ihres Programmes für die Ratspräsidentschaft genannt. „In diesem Fall sollte man sie auf jeden Fall unterstützen“, sagt Javor. Allerdings schiebt er im selben Atemzug einige Einschränkungen nach. Schwierig werde es etwa bei den Beziehungen zu China. „Wir stehen vielleicht am Anfang eines Handelskrieges, und die Entwicklung ist im Moment geradezu rasant“, sagt er. Das große Problem sei, dass die ungarische Regierung bei dem Thema einen völlig anderen Kurs fahre als Brüssel. In solchen Konfliktfällen müsse gezielt gegengesteuert werden.

Viktor Orban provoziert statt zu vermitteln

Die Hoffnung, dass Viktor Orbán seine Blockadepolitik gegenüber der Europäischen Union zumindest im Zeitraum der Ratspräsidentschaft aufgeben könnte, hat Benedek Javor aufgegeben. „Sein Leben ist ein Kampf, und er glaubt, dass er am Ende des Tages diesen Kampf gewinnen wird“, sagt er. Was das heißt, beweist der ungarische Regierungschef mit mehreren kurzen Filmchen, die er in diesen Tagen auf dem Kurznachrichtendienst X (ehemals Twitter) gepostet hat. In allen Clips konstruiert Orbán eine Verschwörungserzählung, dass das Parlament und die EU-Kommission gegen den Willen der Mehrheit in Europa etwa gezielt daran arbeiten würde, den Kontinent in einen Krieg mit Russland zu steuern. Überraschende Worte für einen Politiker, dessen Aufgabe in den kommenden sechs Monaten sein sollte, Kompromisse zu schmieden und Brücken zu bauen.