Im Juli 2022 hat die EU-Kommission Atomkraft unter strengen Bedingungen als klimafreundlich eingestuft – im April 2023 schaltete Deutschland trotzdem die letzten Atomkraftwerke ab. Wie stehen die Parteien bei der Europawahl zur Atomkraft?

Digital Desk: Lea Jansky (ljy)

Am 15. April 2023 hat Deutschland seine letzten drei Atomkraftwerke abgeschaltet. Doch nachdem jahrelang über den Zeitpunkt des Abschaltens diskutiert wurde, ist das Thema mit dem Herunterfahren der Atommeiler ein Jahr danach immer noch nicht erledigt. Denn die EU hatte im Juli 2022 entschieden, dass Atomkraft als klimafreundlich eingestuft und somit in die EU-Taxonomie aufgenommen wird. Bei der EU-Taxonomie handelt es sich um ein Klassifizierungssystem nach der wirtschaftliche Aktivitäten als nachhaltig bewertet werden.

 

Die Entscheidung Atomkraft in die Taxonomie aufzunehmen, basiert darauf, dass laut den Befürwortern nur kleine Mengen CO2 bei der Stromproduktion durch Gas- und Atomkraft entstehen. Somit könnte auch aus Kernenergie produzierter Strom dabei helfen, das Klimaziel der EU bis 2050 klimaneutral zu werden, zu erreichen.

Strenge Vorgaben für „grünen Atomstrom“

In Kernkraftwerken produzierter Strom soll jedoch nur unter strengen Bedingungen als klimafreundlich eingestuft werden können. Die EU-Kommission legte dafür fest, dass Kernkraftwerke nur als „grün“ gelten, wenn sie den neuesten technischen Standards entsprechen. Außerdem müssten die jeweiligen Betreiber der Kraftwerke Pläne vorlegen, wie die entstehenden radioaktiven Abfälle ab 2050 entsorgt werden.

Doch von diesem „grünen Atomstrom“ sind nicht alle EU-Mitgliedstaaten überzeugt. Während Frankreich die treibende Kraft hinter den umstrittenen Plänen ist, Atomkraft ein Öko-Label zu verleihen, kommt unter anderem vor allem starke Kritik aus Deutschland.

Welche deutschen Parteien setzen sich also bei der Europawahl am 9. Juni 2024 dafür ein, (klimafreundliche) Atomkraft in Zukunft zu unterstützen?

Befürworter der Atomkraft als klimafreundliche Energiequelle

Die CDU sieht Kernkraft aktuell als nicht verzichtbare Option in der Energieversorgung in Europa. Daher will sich die Christlich Demokratische Union dafür einsetzen, dass Europa als Forschungsstandort für innovative Kerntechniken gefördert wird.

Die AfD wirbt in ihrem Wahlprogramm, die Stromgewinnung aus Kernenergie wieder zu fördern. Die Alternative für Deutschland sieht Atomkraft als „umweltfreundliche und preisgünstige Energieversorgung“ und möchte europaweit die Forschung in Kerntechnik ausbauen.

Auch die FDP stimmt der Atomkraft als Option zu, Energie in Zukunft klimafreundlich zu produzieren. Die Freie Demokratische Partei möchte sich dafür einsetzen, die Kernfusion außerhalb des Atomrechts innovativ zu fördern.

Die Freien Wähler sehen die Kernkraft ebenfalls als „unverzichtbar“ in Hinblick auf die klimaneutrale Energieversorgung.

Die Partei Bündnis Deutschland fordert in ihrem Wahlprogramm, die bereits stillgelegten Kernkraftwerke wieder nach technischer Prüfung in Betrieb zu nehmen. Außerdem möchte sich das Bündnis europaweit für die Kernfusionsforschung einsetzen. Die Partei setzt auch deshalb auf den Ausbau der Kernenergie, da sie die Stromproduktion durch Atomkraft am effizientesten ansieht.

Gegner der Atomkraft als klimafreundliche Energiequelle

Die Partei Die Grüne/Bündnis 90 positioniert sich eindeutig gegen die Einstufung von Atomkraft als nachhaltige und klimafreundliche Option der Energiegewinnung. Die Grünen-Politiker sind überzeugt: Kernkraft verstärkt die Importabhängigkeiten, ist teurer als Erneuerbare Energien, gefährdet die Sicherheit der Bevölkerung und der atomare Müll ist vor allem in Zukunft noch ein großes Problem.

Die SPD ist ebenfalls eindeutig dagegen, Kernenergie in Europa zu fördern. Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands stuft Atomkraft als „unzuverlässige Hochrisikotechnologie“ ein und sieht die Zukunft eindeutig in den ohnehin günstigeren Erneuerbaren Energien.

Auch die Partei Die Linke ist gegen die „unbeherrschbare Risikotechnologie“ Atomkraft. Außerdem möchte sich die Partei für die Auflösung der Europäischen Atomgemeinschaft EURATOM einsetzen. Auch die 2022 beschlossene Taxonomie für Atomkraft und Gas will Die Linke wieder abschaffen.

Die Tierschutzpartei ist überzeugt vom Atomausstieg und sieht Atomkraft eindeutig als Risiko für Menschen, Tiere und Natur. Die Partei möchte sich außerdem dafür einsetzen, auch Exporte der Atomtechnologie ins Ausland zu unterbinden. Sie ist überzeugt, Deutschland habe nach dem Ausstieg aus der Atomenergie auch hinter dieser Entscheidung zu stehen und die Atomkraft auch nicht mehr im Ausland zu unterstützen.

Die Familien-Partei steht hinter dem Atomausstieg und der Nichtnutzung von Kernenergie, um den nächsten Generationen eine klimafreundliche Umwelt zu ermöglichen.

Die ÖDP positioniert sich in ihrem Wahlprogramm eindeutig für einen europaweiten Atomausstieg. Noch bestehende Atomkraftwerke möchte die Ökologisch-Demokratische Partei dazu verpflichten, eine Haftpflichtversicherung abzuschließen, damit die klimagerechte Entsorgung des Atommülls und mögliche Folgen einer Reaktorkatastrophe abgedeckt sind.

Das Bündnis Sarah Wagenknecht positioniert sich in ihrem Wahlprogramm zur Europawahl nicht eindeutig zur Atomkraft. Als Alternative für europäische Länder, die nicht auf Kernkraft setzen wollen, sieht die Partei Gas als Option zur Deckung des Energiebedarfs. Sie ist überzeugt, allein die Energieversorgung aus Erneuerbaren Energien reiche nicht aus.

Europawahl am 9. Juni 2024

Die Positionierung der deutschen Parteien zur Atomkraft ist gespalten. Die Visionen für eine klimafreundliche Zukunft Europas und dem Näherkommen des Ziels der Klimaneutralität bis 2050 sind unterschiedlich. Die Europawahl findet europaweit vom 6. bis 9. Juni statt – in Deutschland kann am 9. Juni gewählt werden.