Den Inselbewohnern werden ihre Gewässer unheimlich. Seen und Küstenabschnitte in Feriengebieten sind offenbar mit Keimen verseucht. Schwimmwettbewerbe werden in Panik abgesagt.

Korrespondenten: Peter Nonnenmacher (non)

Im südwestenglischen Küstenstädtchen Brixham mussten kürzlich Hunderte von Menschen befürchten, ernsthaft zu erkranken – weil sie Leitungswasser getrunken hatten, das Dung von einer Viehweide enthielt. Rund hundert Personen in der Gegend wurden gleich mit einer sogenannten Kryptosporidios-Erkrankungen diagnostiziert. Aber bei vielen anderen setzten die Symptome – Bauchkrämpfe, Durchfall, Übelkeit – erst nach und nach ein.

 

Schuld an der Verseuchung war ein Leck in einer Wasserleitung auf einer Weide, durch das tierische Abfälle ins Trinkwasser gelangten. Die kleinen Parasiten haben seither viel Aufregung ausgelöst. Tausende von Anwohner wurden – verspätet – aufgefordert, ihr Wasser abzukochen oder vorsichtshalber auf Mineralwasser zurückzugreifen. 

Margaret Thatcher hat die Wasserversorgung privatisiert

Susan Davy, die Chefin der für die Wasserversorgung in der Region verantwortlichen Firma South West Water, zeigte sich zerknirscht: „Es tut mir furchtbar leid, dass das geschehen ist.“ Den mit verseuchtem Wasser Belieferten war das jedoch nicht genug. Eine Familie berichtete empört, in ihrer Straße sei in 17 von 21 Haushalten mindestens eine Person erkrankt. Einen Jungen brachten seine Eltern in die Notaufnahme einer Klinik in der Nachbarstadt Torquay.

„Äußerst ernst“ nannte der örtliche Abgeordnete Anthony Mangnall den Vorfall – angefangen mit der verzögerten Benachrichtigung der Bürger, von denen viele weiter ahnungslos tagelang das verseuchte Wasser tranken. Sir Ed Davey, der Vorsitzende der britischen Liberaldemokraten, klagte, für die zu Zeiten Margaret Thatchers privatisierten Wasserversorger seien „Profite wichtiger als die Umwelt, wichtiger als die öffentliche Gesundheit“. Sehr viel schärfere Kontrollen seien nötig als bisher.

Warnung vor Rudern auf der Themse

Zum allgemeinen Unmut trug die gleichzeitige Enthüllung bei, dass Englands größter Binnensee, der Lake Windermere im nordwestenglischen Feriengebiet des Lake District, durch das illegale Ablassen von Jauche schwer verseucht worden war. Der dortige Wasserversorger namens United Utilities hatte nach einem Defekt an einer Pumpstation Millionen Liter unbehandeltes Abwasser illegal in den See geleitet – und das zehn Stunden lang. Verstörte Badegäste schworen nach Bekanntwerden dieser Verseuchung, „nie wieder auch nur einen Fuß“ in den See zu setzen. Hoteliers, Gastwirte und Tourismus-Behörden fürchten nun tiefe Einbrüche im diesjährigen Geschäft.

Tatsächlich ist die bedenkliche Qualität des Wassers in britischen Flüssen, Seen und Küstengewässern seit einigen Monaten immer mehr zu einem nationalen Thema geworden. Beim jährlichen Ruder-Wettstreit auf der Themse in London im März, dem berühmten Boat Race, wurden die Teilnehmer kurzfristig gewarnt, möglichst nicht mit dem Wasser in Berührung zu kommen, weil die Zahl der krank machenden Kolibakterien wegen der massiven Zuleitung von Abwässern ein Mehrfaches über dem Erlaubten lagen.

Umweltschützer befürchten Todesfälle

Im südostenglischen Maidstone hat man das für Juli geplante große Schwimmfestival, das dort seit 1890 jeden Sommer in der Themse stattfindet, schon Wochen vorher abgesagt, weil die Veranstalter „die Sicherheit der Schwimmer nicht garantieren“ können. Von überall her im Vereinigten Königreich werden ähnliche Probleme gemeldet. Just zu Beginn der Badesaison wird immer mehr Argwohn laut, was die große Zahl unkontrollierter Badestellen und den Mangel an verlässlicher Information angeht. „Es ist keine Übertreibung zu sagen, dass da einmal jemand ums Leben kommen wird“, meint der Arzt Rob Collins vom Umweltverband Rivers Trust.

Die staatliche Umweltschutzbehörde befürchtet, dass im ungünstigsten Fall in kommenden Jahren gerade mal ein Fünftel aller Gewässer sich „in einem guten ökologischen Zustand“ befinden wird – was gegen alle Vorschriften wäre. Allein im Vorjahr erhöhte sich dem Amt zufolge die Zuleitung von Abwässern, Fäkalien und Giftstoffen in Flüsse und Seen um die Hälfte.

Labour will Wasserversorgung verstaatlichen

Proteste gegen diese Situation haben vielerorts in Großbritannien stattgefunden. Schwimmer, Surfer und Paddel-Fans ließen mit Schildern wie „Cut the Crap“ (Schluss mit dem Scheiß) ihrem Zorn freie Bahn. Besonderen Groll löst bei den Briten die Tatsache aus, dass die diversen privaten Wasserversorger in der Vergangenheit Milliarden-Profite an ihre Aktionäre weitergeleitet haben, ohne Geld in eine bessere Infrastruktur zu investieren. In der Labour Party, die schon bald die Regierung auf der Insel zu übernehmen hofft, mehrt sich die Forderung nach Wiederverstaatlichung der Wasserwerke im ganzen Land.