Für Baden-Württembergs Agrarminister Peter Hauk ist das Hochwasser der berüchtigte letzte Tropfen. Um Bauern und Waldbesitzer zu schützen, stellt er Vorgaben des Natur- und Artenschutzes in Frage.

Die tagelangen Überschwemmungen haben vor allem den Bauern und Waldbesitzern im Osten Baden-Württembergs zugesetzt und Teile der Ernte, des Waldes und der Ackerflächen beschädigt. Besonders betroffen seien der Bodensee-, der Alb-Donau- und der Ostalbkreis, Ravensburg und Sigmaringen, Biberach, Reutlingen, Tübingen, Göppingen, Esslingen und der Rems-Murr-Kreis, sagte Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) am Freitag in Stuttgart. Bislang seien mehr als 95.000 Hektar Ackerflächen durch den Starkregen geschädigt, das entspricht der Größe von mehr als 133.000 Fußballfeldern. Rund 26.000 Hektar Acker und mehr als 22.000 Hektar Grünland seien überschwemmt worden. 

 

Totalausfälle werde es zwar nicht überall geben. „Allerdings ist nach jetzigem Kenntnisstand von erheblichen Ertrags- und Qualitätsverlusten auszugehen“, sagte der Minister. Bei den Obst- und Gartenbauern seien Kirschen aufgeplatzt und Erdbeeren beschädigt worden.

Ganze Landstriche im Rems-Murr-Kreis standen vor wenigen Tagen noch unter Wasser – wie hier in Winterbach. Foto: Gottfried Stoppel/Gottfried Stoppel

Mit höheren Preisen rechnet er aber nicht. „Dafür war die beschädigte Fläche zu klein.“ Eine Schadenssumme könne noch nicht geschätzt werden. In den Wäldern bezifferte der Minister die Schäden mit mehr als drei Millionen Euro. Unter anderem seien Waldwege ausgespült oder durch Hangrutsche mitgerissen worden.

„Da darf es keine Denkverbote geben“

Nach Einschätzung Hauks muss angesichts zunehmender Wetterextreme der Natur- und Artenschutz neu bewertet werden. Das Reinigen und die Pflege von Bächen sowie Entwässerungsgräben dürfe beispielsweise nicht an Naturschutzvorgaben scheitern, sagte der CDU-Politiker. Er forderte zudem eine Neubewertung des Bibermanagements. „An vielen Gewässern verringert der Biber mit seinen Dämmen notwendigen Retentionsraum“, sagte Hauk.

Ebenso könne es möglich werden, sich selbst überlassene Waldreservate, sogenannte Bannwälder, künftig zu Schonwäldern zu machen. „Bannwälder können wegen des ausgeschwemmten Totholzes zum lebensgefährdenden Problem werden“, argumentierte der Minister. „Da darf es keine Denkverbote geben.“

Hauk hatte bereits am Vortag mehr Unterstützung vom Bund gefordert, um landwirtschaftliche Betriebe gegen Hochwasser und Extremwetterlagen abzusichern. Die häufigeren Extremwetterlagen mit hohem Schadensrisiko brächten die betriebliche Risikovorsorge wie auch staatliche Ad-hoc-Hilfen zunehmend an ihre Grenzen, sagte er. Die Betriebe benötigten tragfähige Versicherungen, um sich vor witterungsbedingten Verlusten zu schützen.