Wer in den sozialen Medien sieht , wie die Profis etwas machen, verliert schnell die Lust auf eigene Aktivität, beobachtet unser Autor am Beispiel seines Kindes.

Lokales: Alexander Ikrat (aik)

Garage ausmisten ist ein mieser Job. Nicht nur, weil seit dem letzten Mal mehr als ein halbes Jahr vergangen ist und sich eine Menge Dreck und Staub angesammelt hat. Wenn ich sie ausräume, um fegen zu können, muss ich jedes Teil einzeln in die Hand nehmen – und dabei überkommt mich stets etwas Melancholie. Denn in der Garage hat sich eine Menge Sport- und Spielgerät angesammelt, das unsere Kinder einst unbedingt haben musste, aber in den meisten Fällen schnell zum Staubfänger degradierte.

 

Zum Beispiel ein Skateboard. War von der Jüngeren mit zwölf Jahren sehnlichst zu Weihnachten gewünscht, was mich schon stutzig machte, weil im Winter nur ganz Unentwegte so ein Board unter die Füße nehmen. Außerdem sollte es auch noch so ein Mini-Modell sein, bei dem ich mich schnell fragte, wie man auf so etwas jemals sicher stehen sollte. Wollte man dann aber gar nicht wirklich. Ich selbst habe sie tatsächlich nur einmal mit dem Ding üben sehen – und das nicht eben lange.

Schnell die Lust am Homecomputer verloren

Nun ist es nicht so, dass man in meiner Kindheit nicht auch mal schnell die Lust an etwas verlieren konnte. Ich zum Beispiel habe mich nicht sonderlich intensiv mit meinem Commodore C-64 beschäftigt, den ich einst zu meiner Konfirmation bekommen hatte. Nicht sonderlich intensiv heißt in meiner Bewertung allerdings schon noch eine Stunde täglich. Mein großer Bruder war begeisterter und saß an dem Homecomputer, sobald ich das Zimmer verließ, oft auch mit seinen Kumpels zum Spielen, was mir so gut wie nie einfiel. Ich war viel lieber draußen unterwegs, mit selbst getuntem Gelände-Fahrrad, Rollschuhen oder eben mit dem Skateboard.

Wenn meine Freunde und ich uns für so ein Gerät interessierten, dann meist mit Haut und Haaren. Als wir uns zum Beispiel vornahmen, die steile Teckstraße in meinem Heimatort von ganz oben zu bezwingen, obwohl sie ganz unten eine 85-Grad-Kurve macht, dann übten wir tage- und wochenlang. Auch der Sturz, bei dem man ein kinderhandflächengroßes Stück Haut vom Knie auf dem Asphalt hinterließ, bremste einen allenfalls vorübergehend. Zu groß war der Traum, den ein paar Bilder in einem Skateboard-Magazin aus den USA entfacht hatten. Bewegtbild war Mitte der 1980er-Jahre kaum zu erhaschen, weil Trendsportarten aus Übersee noch nicht das Interesse des jungen Privatfernsehens geweckt hatten und für das Öffentlich-Rechtliche viel zu exotisch waren.

Skaten am Kleinen Schlossplatz

Also fuhren wir, was das Zeug hielt. Unsere Vorbilder fanden wir mit der S-Bahn in der Stuttgarter Innenstadt, wo etwa auf dem Kleinen Schlossplatz Ältere und Geübtere ziemlich coole Tricks machten. Es gab auch Kids von US-Soldaten und sogar jüngere Soldaten, die mit Skateboards durch die City cruisten. Die waren uns in der Skate-Evolution ohnehin eine Generation voraus. Aber wir schauten auch in unserem Hotspot Stuttgart, dass wir mitnahmen, was an Anschauungsunterricht zu bekommen war.

Mein Nachwuchs macht das heutzutage selbstverständlich ganz anders. Sie checkt ein paar Filme auf Youtube oder Tiktok, natürlich von Profis, die am häufigsten gesucht und geklickt werden, ist bass erstaunt ob der krassen Tricks und findet, dass der Weg dahin viel zu weit ist. Warum es also nicht gleich lassen? Falls Sie diese wertende Bemerkung zu negativ finden – Staub und Spinnweben auf dem Skateboard in meiner Garage sprechen Bände.

Aber es gibt ja noch andere Aktivitäten jenseits der Youtube-Kanäle. Ich schlage mal einen Kletterkurs vor. Vielleicht leckt sie ja dann Blut.

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Alexander Ikrat hat auf (fast) alle Herausforderungen in der Zeitungsproduktion eine Antwort. In der Beziehung zu seinen beiden Töchtern ist er allerdings nicht mehr gefragt – dank der Pubertät.