Der Heidengraben gehört zu den größten befestigten spätkeltischen Siedlungen in Europa. Ausgrabungen lieferten viele Erkenntnisse über die Kelten. Jetzt ist ihnen ein ganzes Infozentrum gewidmet.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Das Oppidum Heidengraben auf der Schwäbischen Alb ist mit 1662 Hektar eine der größten befestigten spätkeltischen Siedlungen Europas. Jetzt ist den Kelten ein eigenes Informationszentrum auf den Gemarkungen Grabenstetten, Erkenbrechtsweiler und Hülben gewidmet worden.

 
Der Heidengraben ist mit 1662 Hektar Europas größte bekannte Keltensiedlung. Auf einer Hochfläche gelegen, war diese durch natürliche Begrenzungen (blau) und künstliche Befestigungsanlagen (rot) gesichert. Vermutlich lebten bis zu 10 000 Bewohner innerhalb dieser Befestigungsanlagen. Foto: verein keltenwelten.de/3D-Museum.eu

Heidengrabenzentrum und Erlebnisfeld Heidengraben

Der Bau des Heidengrabenzentrums wurde im Rahmen der "Keltenkonzeption" des Landes Baden-Württemberg gefördert. Im Informationszentrum soll die spätkeltische Geschichte auf rund 350 Quadratmetern interaktiv und multimedial vermittelt werden. Dafür stellte das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst 1,75 Millionen Euro bereit.

Zudem wurde das Vorhaben im Rahmen des Förderprogramms „Investitionen für nationale Kultureinrichtungen in Deutschland“ (INK) vom Bund mit zwei Millionen Euro gefördert.

Ausgrabungsstätte am Wallschnitt der Befestigungsanlage auf der Baßgeige im Heidengraben. Foto: dpa/Tom Weller
3D-Rekonstruktion des keltischen Zangentores G vor Erkenbrechtsweiler. Foto: verein keltenwelten.de/3D-Museum.eu
Keltischer Krieger auf einem Streitwagen. Foto: verein keltenwelten.de/3D-Museum.e/u

Neben dem Heidengrabenzentrum umfasst das „Erlebnisfeld Heidengraben“ einen "Kelten-Erlebnispfad" und einen 18 Meter hohen Aussichtsturm in unmittelbarer Nähe zum Informationszentrum. Für die "Keltenkonzeption" haben das Land und der Bund bisher bereits rund acht Millionen Euro investiert.

Keltenland Baden-Württemberg

Die "Keltenland-Konzeption" wurde 2019 von der Landesregierung beschlossen. Die Hauptaufgabe besteht darin, das Erbe der Kelten im Südwesten sichtbar zu machen. Die Abstimmung und Vernetzung der Keltenstätten untereinander soll Basis für ein gemeinsames, landesweites Konzept zur touristischen Vermarktung und zur Schaffung schulischer und außerschulischer Bildungsangebote sein.

Das Heidengrabenzentrum entstand in Zusammenarbeit der drei Gemeinden Hülben (Kreis Reutlingen), Erkenbrechtsweiler (Kreis Esslingen) und Grabenstetten (Kreis Reutlingen) sowie der Regierungspräsidien Tübingen und Stuttgart.

Kulturgemeinschaft und keine Nation

Da die Kelten keine schriftlichen Zeugnisse hinterlassen haben, sind Archäologen und Historiker auf Überlieferungen aus griechischer und römischer Zeit sowie auf Ausgrabungen angewiesen. Die Kelten waren kein einheitliches Volk oder eine Art europäische Ur-Nation, sondern lebten während der Eisenzeit in zahlreichen unabhängigen Stammesgruppen.

Heuneburg: eine vor- und frühgeschichtliche Höhensiedlung am Oberlauf der Donau und ein frühkeltischer Fürstensitz der Hallstattzeit in der Gemeinde H erbertingen, Landkreis Sigmaringen. Foto: Imago/Peter Seyfferth

Die keltische Kulturgemeinschaft wurde durch eine eigene indogermanische Sprache, ähnliche materielle Kultur, Gebräuche, Glaubensvorstellungen und Lebensweise geprägt. Aus den bronzezeitlichen Kulturen Mitteleuropas bildeten sich die beiden klassischen keltischen Epochen der Hallstatt- (650-70 v. Chr.) und der La-Tène-Kultur (470-50 v. Chr.) heraus.

Die keltische Gesellschaft war weder zentral organisiert, noch gab es gemeinsame Könige. Neben Häuptlingen und Fürsten beherrschten Druiden als geistige und spirituelle Führer die einzelnen Stämme. Sie waren zugleich Priester und Mediziner, Lehrer und Richter.

Kelten im Südwesten

Vom 7. bis zum 1. Jahrhundert v. Chr. waren die Kelten im Südwesten Deutschlands die vorherrschende Bevölkerungsgruppe. Gerade in Baden-Württemberg ist die keltische Kultur ein Highlight. Es gibt Tausende Grabhügel und eine unglaublich reiche Fundlandschaft. Dazu kommen die Fürstensitze wie die Heuneburg nahe Herbertingen im Kreis Sigmaringen. Die Ansiedlung gilt als zentraler frühkeltischer Ort an der oberen Donau.

Im Lauf von 600 Jahren wurden auf den Plateaus von Hügeln und Anhöhen Fürstensitze errichtet, die wie die Heuneburg mit Mauern aus Holz und Erde befestigt waren. Später wurden sie durch eine Stein-Lehm-Mauer ersetzt. Zugleich entstanden große stadtähnliche Siedlungen. Die Außensiedlung der Heuneburg umfasste 100 Hektar und beherbergte einige Tausend Menschen.

Die Kelten in Baden-Württemberg. Foto: Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg

Tollkühne Krieger, erfolgreiche Händler

Die Handelsbeziehungen der keltischen Stämme reichten bis in den Mittelmeerraum. Der Archäologe Jörg Bofinger vom Landesamt für Denkmalpflege in Esslingen hat auf der Heuneburg zahlreiche Importstücke aus dem Süden ausgegraben - zum Beispiel Amphoren aus dem damals griechischen Marseille. Auch mit den Etruskern in Italien und mit griechischen Stadtstaaten führten die Kelten einen regen Handel.

Die keltischen Handwerker waren berühmt für ihre filigranen Schmuckarbeiten, ihre Textilien und eisernen Waffen. „Für Archäologen ist das gesamte Ensemble einer Ausgrabungsstätte wichtig und nicht nur das gefundene Gold. Aus ihm können wir viele neue Details erkennen.“

Fürstensitze, Grabhügel, Ringwälle

Neben der Heuneburg gab es Fürstensitze auf dem Hohenasperg und dem Berg Ipf nahe des Nördlinger Ries bei Bopfingen. Daneben entdeckten Archäologen weitere unzählige Fürstengräber und Grabhügel, Ringwälle und Hunderte Viereckschanzen – rechteckige Areale mit Wall und Graben, die auf eine Besiedlung schließen lassen – sowie Überreste von Ansiedlungen. Allein im Umkreis von zehn Kilometern um den Hohenasperg gab es nach Angaben von Biel rund 400 keltische Siedlungen.

Diorama der Heuneburg im Keltenmuseum Heuneburg in Herbertingen. Foto: Foto: Keltenmuseum Heuneburg/Anja Brauner

Die Kelten besaßen ein hoch entwickeltes Wirtschaftsleben. Die aufgefundenen Gräber zeugen vom Reichtum ihrer Oberschicht. Die Stämme waren berühmt für ihre Metallarbeiten, Schmuckstücke aus Silber und Gold sowie ihre Waffenproduktion. Das Eisenerz bauten sie in bis zu 100 Meter tiefen Bergwerken ab.

Cäsar beendete die große Zeit der Kelten

Der Gallier-Häuptling Vercingetorix gibt sich dem römischen Feldherren Gaius Julius Cäsar 52 v. Chr. geschlagen. Foto: Imago/Gemini Collection

An die Stelle der Fürstensitze traten ab der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts v. Chr. die sogenannten Oppida - große befestigte Siedlungen, die von bis zu 10 000 Menschen bewohnt wurden. Keltische Krieger drangen in dieser Zeit auf ihren Beutezügen bis weit nach Süden vor: 387 v. Chr. plünderten sie Rom, 279 v. Chr. belagerten sie das griechische Heiligtum Delphi. Sie kämpften als Söldner in den Kriegen Karthagos gegen die römische Republik und fochten für griechische Könige und Usurpatoren.