An der Stadtbahnhaltestelle Charlottenplatz gibt es wieder Gelegenheit, Musik zu machen. Das poppig gestaltete Open Piano ist zudem ein echter Hingucker.

Stadtleben/Stadtkultur: Jan Sellner (jse)

Rückkehr einer Idee, die nicht nur gut klingt, sondern auch gut ist: Seit kurzem steht unter dem „Charlie“, dem Charlottenplatz, wieder ein öffentliches Klavier, auf dem jede und jeder nach Herzenslust klimpern kann „Open Piano, Klappe, die Zweite!“, sagte Stadträtin Guntrun Müller-Enßlin (SÖS) bei der fröhlichen Einweihung an der Stadtbahnhaltestelle. Kurz zuvor war das gebraucht erworbene Instrument vor der Geräuschkulisse ein- und ausfahrender Stadtbahnzüge noch gestimmt worden. Als dann Joachim Keck vom Duo Wojo zur Eröffnung in die Tasten griff und, begleitet vom Posaunisten Wolfgang Schenk, Glenn Millers „Sentimental Journey“ und andere Klassiker anstimmte, saß zur Freude der Umstehenden jeder Ton.

 

Zuhören ist eine Sache. Das Open Piano ist aber auch ein echter Hingucker. Menja Stevenson, die Leiterin der Jugendkunstschule und Kreativwerkstatt (Jukus), hat mit ihrem Team zwei Wochen lang gesägt, gemalt und lackiert, um „etwas Besonderes im Alltäglichen zu schaffen“: eine „Oase im Stil der Popkultur“. Das ist den Jukus-Leuten bestens gelungen. Wie eine Installation knallt das von hellblau-türkis-rosa Zacken eingerahmte und mit viel Liebe zum Detail gestaltete Klavier in der beige gekachelten Unterführung heraus. Stevenson ließ sich von Popart-Künstler Robert Rauschenberg inspirieren – und von Britney Spears. Ihre Liedzeile „Oops! we did it again“, prangt in einer Sprechblase über dem Instrument.

Die SSB begleitet das Open Piano mit Wohlwollen

Das Ganze wirkt in jeder Hinsicht einladend – und das in der wenig einladenden Umgebung der Haltestelle Charlottenplatz. Übrigens eine der ältesten in der Stadt, 1967 gebaut, wie Mario Laube, kaufmännischer Vorstand der SSB, bei der Klavier-Eröffnung sagte. Täglich bewegt die SSB hier 47 000 Fahrgäste, 21 000 steigen am Charlottenplatz um, darunter mutmaßlich etliche Klavierspieler. „Wer weiß, vielleicht wird man am Open Piano ja auf das eine oder andere Talent aufmerksam werden“ , sagte Laube. Die SSB begleitet das Open Piano jedenfalls mit viel Wohlwollen: „Wir waren sofort Feuer und Flamme.“ Der SSB-Vorstand hofft, dass der Idee auch der nötige Respekt entgegengebracht wird und das Klavier vor Vandalismus verschont bleibt.

Der Hinweis ist berechtigt, wenn man an den Vorgänger des Open Piano denkt. Über das im Juli 2023 aufgestellte Instrument fielen unmusikalische Zeitgenossen bereits wenige Stunden nach der Einweihung her. Dabei sah das Klavier ausgesprochen freundlich aus. Die Jugendkunstschule hatte ihm ein Gesicht gegeben und es „La Queer“ getauft. Nach der nächtlichen Attacke wurde es repariert und hielt immerhin bis September durch. Dann versagten ihre Tasten und Töne. Für Müller-Enßlin, die sich die Idee des Open Piano bei einem Besuch in Jerusalem abgeguckt hat, war’s dennoch eine „Erfolgsgeschichte“. Sie wollte sie fortsetzen. Der Gemeinderat spielte mit und stimmte mit großer Mehrheit zu, in den Jahren 2024 und 2025 jeweils 8000 Euro für das niederschwellige Kulturprojekt auszugeben.

Eine Einladung auch an Fußball-Fans

Jetzt ist an der Stadtbahnhaltestelle wieder jede Menge Musik drin – sofern sich Passanten denn ans Klavier setzen und spielen. Es könnte eine runde Sache werden. Dazu könnte auch die Fußball-EM beitragen. Neben dem Piano hat die Jugendkunstschule einen stilisierten EM-Ball platziert – eine kreativ-freundliche Einladung an Fußballfans, das Instrument in den kommenden Wochen zu bespielen.