Wie werden wir in 25 Jahren leben? Und wie frei? Damit beschäftigen sich Studierende dreier Hochschulen den Sommer über in einer vom Bund geförderten Freiheitswerkstatt im Stuttgarter Hospitalhofviertel.

Stadtleben/Stadtkultur: Jan Sellner (jse)

In die Lange Straße 54 ist die Freiheit eingezogen – verkörpert durch zwei Dutzend Studierende der Uni Stuttgart, der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg und der Stuttgarter Merz-Akademie und ihre Lehrer. Gemeinsam betreiben sie im leer stehenden Erdgeschoss des Bürogebäudes den Sommer über eine „Freiheitswerkstatt“, die sie Atelier Leuschnerplätzle nennen.

 

Ein Ort mit Geschichte. Gleich um die Ecke, in der Leuschnerstraße 15, endeten am 18. Juni 1849 die demokratischen Bemühungen der Reste der Frankfurter Nationalversammlung, die unter dem Druck restaurativer Kräfte nach Stuttgart ausgewichen war. Militär trieb die verbliebenen Abgeordneten damals an just dieser Stelle auseinander. Es mussten noch 70 Jahre vergehen, ehe die Demokratie in Deutschland – und damit auch die Freiheit – in Gestalt der Weimarer Republik wieder eine Chance bekam.

Das Schicksal des Rumpfparlaments vor 175 Jahren ist ein Ausgangspunkt für die Arbeit der Freiheitswerkstatt. Nach der Devise „Rückblick, Anblick, Ausblick“ richtet sie den Blick zurück in die Geschichte, sortiert die Gegenwart und ist dann auf das Jahr 2049 ausgerichtet, dem Jahr, in dem das Grundgesetz 100. Geburtstag feiert und das Rumpfparlament 200 Jahre vergangen sein wird.

„Wie wird Freiheit dann aussehen?“, lautet die Frage, die die Studierenden in den nächsten Wochen mit Bürgern und Experten diskutieren und filmisch umsetzen wollen. Die Themen sind Fliegen, Essen, Bauen, Fahren. In spekulativen Dokumentarfilmen“ sollen Visionen dieser „alltäglichen Freiheitspraktiken“ für die Zeit der „postkarbonen Gesellschaft“ entworfen werden.

Positive Zukunftsvisionen fallen schwer

In Begleitung der Filmemacherin Maria Mohr haben sich die Studierenden schon mal vorgetastet und festgestellt, wie schwierig es ist, „sich ein positives Bild von der Zukunft zu machen“. Untergangsszenarien, berichtete Mohr bei der Eröffnung der Freiheitswerkstatt am Mittwoch, lägen da näher. Doch die Werkstatt hat ihre Arbeit ja eben erst begonnen.

Elke Uhl, Geschäftsführerin des Internationalen Zentrums für Kultur- und Technikforschung der Universität Stuttgart, sieht das mit Freude. Zumal das Zukunftsprojekt auf soliden Füßen steht. Gemeinsam mit Partnern, insbesondere dem Verein Forum Hospitalviertel, ist es ihr gelungen, dass die Freiheitswerkstatt als eines von bundesweit 35 Projekten vom Bundesbildungsministerium gefördert wird. Den Rahmen dafür bildet das Wissenschaftsjahr 2024, das dem Thema Freiheit gewidmet ist. Auch das Stuttgarter Literaturhaus beteiligt sich an der Aktion.

Bis zum 24. September lädt die Freiheitswerkstatt zum Besuch in die Lange Straße und zur Diskussion über „zukünftige Freiheiten“ ein. Begleitend dazu gibt es am 16. Juli und am 10. September einen Stammtisch im Atelier der jungen Freiheitsarbeiter. Ihre Zukunftsfilme sind im Oktober und November im Hospitalhof zu sehen.

Finale im September

Freiheitswerkstatt Atelier Leuschnerplätzle . Das Programm und weitere Informationen unter: www.izkt.uni-stuttgart.de