Nach Abpfiff liegt überall Müll in der Stadt. In Rekordzeit werden Stuttgarts Straßen wieder vorzeigbar gemacht. Warum das viel leichter fällt als bei der WM 2006.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Der junge Schotte mit Deutschland-Trikot und umgeschürzter Schotten-Flagge ist peinlich berührt. „Es ist eine Schande, dass so viele Leute einfach gegangen sind“, erklärt er einem Reporter des SWR und zeigt auf Flaschen, Plastikbecher, Essenskartons auf dem nächtlichen Rasen des Stuttgarter Stadtgartens. „Ihr habt uns einen wundervollen Park gegeben, um das Spiel zu schauen. Wir sind so schrecklich.“ Und dann setzt er die Arbeit, bei der er gerade unterbrochen wurde, fort und sammelt die Hinterlassenschaften von Stuttgarts wohl außergewöhnlichster EM-Party ein.

 

Nach dem schnellen Mittagessen wird nicht immer abgeräumt. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Die Szene vom  Sonntagabend  ist zum Instagramhit geworden. Allerdings haben nicht nur die Schotten am Wochenende gewütet. Am Schlossplatz stapelte sich der Müll der deutschen Fans, der Schlossgarten war übersät mit den Feierresten der Ungarn und  in der Stadt  ließ  sich  der  Müll  der EM-Party ohnehin nicht national trennen. Am „Palast der Republik“ waren die Baumkübel schon vor Spielbeginn über und über mit leeren Bierflaschen gefüllt. Dass ein Großteil davon mitgebracht wurde, ließ der Palast-Chef Stefan Schneider geschehen – was hätte er auch anderes tun sollen.

Die Straßenreinigung holt zusätzliches Personal

Am Montagmorgen sah es in Stuttgart gleichwohl schon wieder manierlich aus. Die Auswiegezahlen lägen noch nicht vor, doch vom Müllaufkommen her sei es der bisher heftigste Spieltag gewesen, sagt die AWS-Sprecherin Andrea Schlepper. Die Abfallwirtschaft arbeitet im Dreischichtbetrieb und hat für die EM 60 Leiharbeiter eingestellt. Noch in der Nacht begannen 52 Mitarbeiter mit den Aufräumarbeiten.

Am Mittag ist vom Ausnahmezustand des Vorabends schon fast nichts mehr zu sehen. „2006 war deutlich mehr los“, sagt AWS-Kraft Marco Schleicher (43), der mit zwei Kollegen auf der Königstraße unterwegs ist. Seine Einschätzung wird durch die offiziellen Zahlen belegt. Bis zum vergangenen Mittwoch, als die deutsche Mannschaft in Stuttgart spielte, wurden insgesamt 23 Tonnen Abfall rund um die Fanbereiche und das Stadion eingesammelt. Die Mengen von 2006, als insgesamt 637 Tonnen zusammenkamen, sind damit nicht zu erreichen.

Weniger Glas als 2006

„Damals hatten wir viel mehr Glas“, sagt Schleicher. Und es gab wohl auch noch nicht so viele Flaschensammler. „Ich finde das ja gut, dass die das machen. Wir können die Pfandflaschen ja gar nicht mehr aussortieren.“ Auch am „Palast“ haben Flaschensammler alles abtransportiert. „Nach vier Stunden war alles wieder weg“, sagt Wirt Stefan Schneider.

Flaschensammler haben Schwerstarbeit geleistet. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Einer dieser „freien Mitarbeiter“ der AWS ist Inovick. Zwischen den Fahrradständern an der Bolzstraße hat er einen Müllsack voll mit Glasflaschen deponiert. Sie muss der 44-Jährige noch zu Geld machen. Am Vortag sei er bis Mitternacht unterwegs gewesen, erzählt er auf Englisch. Die Plastikflaschen und Getränkedosen habe er am Ende mit nach Hause genommen, damit sie nicht verschwinden. Mit riesigen Müllsäcken saß er in der S-Bahn nach Feuerbach. „Alle Supermärkte hier sind ja geschlossen gewesen.“ 45 Euro habe er erlöst, für Inovick ein guter Schnitt. Allerdings sei er auch sieben Stunden in der Stadt unterwegs gewesen.

Ein eher spärlicher Stundenlohn

Auch im Stadtgarten haben Flaschensammler angepackt. Gegen 9 Uhr ist die Fläche wieder so weit hergestellt, dass sich die ersten Studenten niederlassen. Zwei Mulden und 30 Mülleimer habe man gefüllt, sagt Bernd Schechinger, dessen Firma von der Uefa mit der Reinigung beauftragt ist. Jetzt müssen noch Kronkorken und Glasscherben aus dem Rasen gesammelt werden. Im Anbetracht von 15 000 Fans, die dort das Spiel geschaut hätten, sei relativ wenig zu Bruch gegangen, findet Schechinger. Da müssen sich die Schotten also gar nicht schämen.

Die Kleinarbeit kostet Zeit