Zum Tag der Architektur sperren Besitzer von Zwillingshäusern, umgebauten Scheunen, Kitas, Kirchen und einem Institut für Sonnenphysik ihre Türen für architekturbegeisterte Besucher auf – in Stuttgart und restlichen Land. Was alles zu entdecken ist.

Bauen/Wohnen/Architektur : Nicole Golombek (golo)

Wer regelmäßig in einer mit einem Gestaltungspreis gekrönten Kirche betet, wer sein Kind in eine architektonisch ausgezeichnete Kindertagesstätte bringt, erlebt in seinem Alltag, wie gute Architektur wirkt. Aber zukunftsfähig gebaute Wohnhäuser, arbeitnehmerfreundlich gestaltete Büros – die können meist nur von außen betrachtet werden. Außer am bundesweiten Tag der Architektur. Da organisieren die Architekten der Architektenkammern Führungen zu Gebäuden, welche die Vertreter ihre Zunft glänzen lassen.

 

Die Touren stehen in diesem Jahr unter dem Motto „Einfach (Um)Bauen“. Da werden zwei Trends zusammengefasst – die Notwendigkeit, den Umbau im Bestand zu fördern, da klimafreundlicher. Und „Einfach Bauen“, weil günstiger und zum Teil auch nachhaltiger, wenn weniger reparaturanfällige Technik verbaut wird.

Blicke in Stuttgarter Wohnhäuser begehrt

Auch in Stuttgart werden Spaziergänge oder Fahrten angeboten – und da sind auch Neubauten darunter. Bereits ausgebucht ist eine Tour, die zu preisgekrönten Stuttgarter Zweifamilienhäusern führt wie den Zwillingshäusern der VON M Architekten im Stuttgarter Süden und zu dem Doppelhaus mit Metallklreid von Sebastian Wockenfuß und Matias Stumpfl in Gablenberg. Beide Häuser wurden auch schon in dieser Zeitung vorgestellt.

Dafür ist die Tour zu neu- und umgebauten sakralen Gebäuden noch mitzumachen und lohnenswert. Treffpunkt ist in Mönchfeld an der Kirche St. Johannes Maria Vinney, ein eindrucksvoller, innen lichter Backsteinbau, geplant von a+r Architekten, zu sehen ist dann auch noch die umgestaltete Martinskirche (Eckartstraße 2) zum Thema Umbau und Neugestaltung. Das Büro prinzmetal aus Köln wurde dafür jüngst auf der Longlist für den DAM-Architekturpreis 2025 aufgenommen. Weitere Stationen sind die Pauluskirche im Stuttgarter Westen und das bemerkenswerte St. Elisabeth- Gemeindehaus.

Die Touren im Land von Mannheim bis zum Bodensee sind auf der Homepage der Architektenkammer Baden-Württemberg zu finden. In der Region sind Bauten des jungen Büros Mehr*Architekten in Kirchheim unter Teck zu besichtigen von der Brauerei über ein Einfamilienhaus bis zu einem Baugruppenhaus.

Interessante Wohnformen

Wohnhäuser besonderer Art sind auch anderswo Stationen auf der Besichtungstour: in Tübingen-Derendingen haben KO/OK Architektur aus Stuttgart eine Scheune zum Wohnhaus umgebaut, in Heidenheim hat Merz Objektbau aus Aalen besondere Tiny Houses entworfen. Der Einbau von Microlofts in Bestandsgebäude durch Freivogel Mayer Architekten aus Ludwigsburg machen eine Pforzheimer Tour interessant.

Die führt auch zu gut gestalteten Mehrfamilienhäusern – ins Quartier R5 in Pforzheim (Architekten sind Geiger Architektur GmbH Kollmar & Jourdan Haus, Pforzheim). In Karlsruhe haben die ortsansässigen Milla Architekten eine Werkstatt in experimenteller Stampflehmbauweise in ein Wohnhaus umgebaut. Dass auch auf Garagen wiederum Wohngebäude entstehen können, zeigt Architekt Falk Schneemann, der für den DAM-Preis 2025 nominiert ist und schon den Holzbaupreis des Landes Baden-Württemberg erhalten hat.

Wohnen auf Garagen in Karlsruhe Foto: Falk Schneemann Architekten

Ein Baugemeinschaftshaus als Holzneubau im Ortskern von Mössingen von den ansässigen Denninger Architekten erlaubt Wohnen im Alter mitten im Ort. Ein mutiger Mix von Seniorenwohnen, Eventstadel und Coworking-Räumen ist im „Heimat Bärenweiler“ aus dem 17. Jahrhundert in Kißlegg im Allgäu, gestaltet vom Architekturbüro Gegenbauer aus Leutkirch im Allgäu) entstanden. Zu entdecken auf der Ravensburg-Route.

Öffentliche Gebäude finden sich selbstredend vielfach auf den Touren. Darunter ist ein Holzparkhaus (von herrmann+bosch architekten aus Stuttgart) in Wendlingen auf der Tourliste, in Reutlingen eine Feuerwache aus Dämmbeton (von dasch zürn + partner aus Stuttgart).

Und auch die vielfach preisgekrönte, in Holzbauweise entstandene Grundschule Fuchshofschule in Ludwigsburg, geplant von den Stuttgarter Architekten VON M ist ein sehenswertes Ziel – allein schon wegen des spektakulären Atriums. Umgestaltete Plätze (von Stefan Fromm Landschaftsarchitekten) in Herrenberg – soeben mit dem Staatspreis Baukultur 2024 des Landes Baden-Württemberg ausgezeichnet – sind (neben dem renovierten Rathaus und einem Einfamilienhaus) bei der Böblinger Tour auf der Route.

Wen es bis in den Bodenseekreis zieht, der könnte sich einen umgebauten und sanierten Pfarrsaal in Überlingen anschauen (von m67 Schlüter Metzger Architekten aus Überlingen) und in Überlingen Einblicke in ein umgebautes Wohn- und Geschäftshaus in der Seepromenade 11 (Gaus Architekten aus Göppingen) erlangen.

Ziele am Bodensee und in Freiburg

In Konstanz ist – auch an anderen Tagen als am Tag der Architektur – „Glorious Bastards“ ein Ziel: Gastronomie über vier Etagen mit Rooftop Bar im Einkaufscenter LAGO, gestaltet von einem Büro aus Antwerpen mit dem charmanten Namen „Not before ten“.

Schon allein wegen des Namens der Nutzer des Gebäudes ist Freiburg ein Ziel: das Institut für Sonnenphysik. Die Architekten stammen aus Stuttgart – das Büro Birk Heilmeyer und Frenzel. Viel plant das Büro in Holzbauweise, hier ist es anders. Der Institutsneubau ist als Massivbau mit Stahlbetondecken sowie einer monolithischen Außenhülle ausgeführt.

Doch wie jeder weiß, ist in Sachen Nachhaltigkeit und CO2-Verbrauch nicht unbedingt Bauen selbst nur heikel, sondern die Nutzung, das Heizen, Putzen, Möblieren, Renovieren und so weiter. Bei diesem Neubau, heißt es in der Tourenbeschreibung „werden die Transmissionswärmeverluste durch einen kompakten Baukörper und einen sehr guten Wärmeschutz bestmöglich reduziert. Aufgrund der hocheffizienten monolithischen Außenhülle, eines Verglasungsanteil von knapp 30 Prozent sowie einer Dreifach-Wärmeschutzverglasungen werden sehr geringe Energieverbrauchswerte erwartet.“

Umbauten in Bad Boll und in Karlsruhe

Und da das Gebäude auch ästhetisch überzeugt, dürfte es eine maximal lange Lebenszeit haben, zumindest ist ihm das zu wünschen. Auch das trägt zur Nachhaltigkeit im Bau- und Architektursektor bei, dass die Lebensdauer von Gebäuden sich wieder deutliche verlängert – man denke allein an all die seit über hundert Jahren stehenden Kirchen, Museen, Gründerzeitwohnhäuser. Ein Gebäude, das geschätzt wird, reißt keiner ab.

Wie etwa der Umbau und die Sanierung des „Blumhardthauses“, ein Fachwerkständerbau von 1888, in Bad Boll-Eckwälden durch Höhne Fitschen + Partner Architekten aus Göppingen beweist (zu besichtigen auf der Route der Kammergruppe Landkreis Göppingen) und auch die Sanierung des Anna von Heimburg Hauses von 1817 in Offenburg (Route Ortenaukreis) durch Humpert & Kösel-Humpert aus Karlsruhe.

info

Tag der Architektur
Über die Veranstaltungen der Architektenkammer Baden-Württemberg am Tag der Architektur am 29. Juni informiert die Homepage https://www.akbw.de/baukultur/tag-der-architektur/touren