Die Gewerkschaft Verdi betreibt an den baden-württembergischen Universitätskliniken den größten Tarifkonflikt seit 2005 und macht dies mit einer frühzeitigen Verschärfung deutlich. Grund: es geht nicht nur um mehr Geld.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Die Gewerkschaft Verdi hat im Tarifkonflikt an den baden-württembergischen Universitätskliniken Freiburg, Heidelberg, Tübingen und Ulm für kommende Woche zu mehrtägigen Warnstreiks aufgerufen. Als Grund wird das unzureichende Arbeitgeberangebot in der Verhandlungsrunde am vorigen Dienstag angegeben. Somit soll vor den nächsten Verhandlungen am 17. Juni der Druck auf die Arbeitgeber verstärkt werden.

 

In allen Einrichtungen soll, jeweils begleitet von Aktionen und Kundgebungen, am Donnerstag und Freitag gestreikt werden; in Ulm zusätzlich am Mittwoch. Einen ersten Warnstreiktag hatte es am 3. Juni gegeben. Verdi zufolge ist erneut mit Verschiebungen von geplanten Operationen und mit Bettenschließungen zu rechnen. Mit Notdienstvereinbarungen werde eine sichere Versorgung aller Patienten gewährleistet.

„Mehr Entlastung, mehr Zeit, mehr Geld“

Verhandelt wird über ein sogenanntes Zukunftspaket. Verdi will, wie es heißt, die Arbeitsbedingungen nachhaltig verbessern, um Personal zu binden, dem Mangel an Fachkräften zu begegnen und den zukünftigen Bedarf an Gesundheitspersonal durch eine immer älter werdende Gesellschaft zu decken. „Einen Abschluss gibt es nur mit mehr Entlastung, mehr Zeit und mehr Geld für die Beschäftigten“, betont Verhandlungsführer Jakob Becker. Verdi fordert unter anderem eine Erhöhung der Entgelte um elf Prozent, mindestens 500 Euro mehr im Monat.

Der Arbeitgeberverband der baden-württembergischen Uniklinika (AGU) bietet bisher bei einer Laufzeit von 28 Monaten eine Inflationsausgleichsprämie von 1050 Euro im August sowie Entgeltsteigerungen von vier Prozent zum 1. Januar 2025 und weiteren drei Prozent ein Jahr später. „Bezogen auf die durchschnittliche Vergütung der Beschäftigten im Tarifvertrag Universitätsklinika entsprechen die linearen Steigerungen einer Erhöhung um rund 330 Euro pro Monat“, rechnet der Verhandlungsführer und AGU-Geschäftsführer Heinz Falszewski vor.

„Verdi entzieht dringend benötigtes Fachpersonal“

Verdi kritisiert, die Einführung eines Lebensphasenkontos würden die Arbeitgeber bisher ebenso ablehnen wie ein Wahlmodell zwischen Zeit und Geld. Die AGU-Vorstände Udo X. Kaisers und Anja Simon verweisen auf die negativen Folgen, falls der Wunsch der Gewerkschaft nach fünf zusätzlichen freien Tagen im Jahr umgesetzt würde. „Wir erfüllen keine Forderung, die dringend benötigtes Fachpersonal entzieht“, bekräftigen sie. Man habe ein großes Interesse daran, die bereits guten Arbeitsbedingungen an den vier Häusern weiter zu verbessern. Mit einer zusätzlichen Verknappung des Personals würden die Versorgung der Patienten sowie infolge von Bettenschließungen nicht-pflegerische Arbeitsplätze gefährdet.

30 000 Beschäftigte an Unikliniken betroffen

Zum Entgelt sowie zur Entlastung wird in diversen Zusammensetzungen verhandelt. Insgesamt sind für diese größte Tarifrunde seit 2005, als der eigenständige Tarifvertrag für die vier Landeskliniken erstmals vereinbart wurde, bisher 13 Verhandlungstermine angesetzt. Betroffen von dem Tarifkonflikt sind rund 30 000 Beschäftigte, vornehmlich Pflegekräfte.

Für die Ärztinnen und Ärzte der Unikliniken wiederum gilt ein eigener Tarifvertrag. Ende März hatten sich der Marburger Bund und die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) für diese Beschäftigtengruppe bundesweit auf ein Gehaltsplus in Gesamthöhe von zehn Prozent geeinigt – zudem auf eine Reduzierung der durchschnittlichen regelmäßigen Wochenarbeitszeit von 42 auf 40 Stunden ohne Lohnabstrich.