Der Europaabgeordnete Daniel Freund beurteilt die EU-Ratspräsidentschaft Ungarns mehr als skeptisch. Er sieht die Rechtsstaatlichkeit bedroht und spricht von „Mafia-Methoden“ im Umgang des Staates mit ausländischen Firmen.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Nach Jahren der ständigen Auseinandersetzung ist Daniel Freund so etwas wie der Lieblingsfeind der ungarischen Regierung. Unermüdlich prangert der Politiker der Grünen die demokratischen Defizite und die Korruption in dem Land an. Im Interview erklärt der Europaparlamentarier aus Aachen seine Skepsis.

 

Würde Ungarn in die EU aufgenommen, müsste sich das Land heute darum bewerben?

Nein! Ungarn erfüllt die Kriterien zum Beitritt aktuell nicht.

Wieso das?

Das größte Problem ist die Rechtsstaatlichkeit. Es gibt in Ungarn schlicht keine unabhängige Justiz mehr. Auch gibt es große Defizite bei der Medienfreiheit. Außer einigen unabhängigen Blogs im Internet existieren im Grunde keine Medien mehr, die nicht von Viktor Orban und seinen Getreuen kontrolliert werden. Es gibt auch beim Binnenmarkt erhebliche Probleme. Immer wieder melden sich europäische Unternehmen, die in Ungarn fast schon mit Mafia-Methoden drangsaliert werden. Ihnen werden Sondersteuern auferlegt oder sie werden sogar so lange unter Druck gesetzt, bis sie irgendwelchen Orban-Leuten ihr Geschäft verkaufen. Und jüngst würde Ungarn zu Strafzahlungen verdonnert, weil die Regierung gegen die europäischen Asylgesetze verstößt. Offen gesagt, die Liste von Verfehlungen ist unfassbar lang.

Wie konnte es überhaupt zu dieser Situation kommen?

Die anderen EU-Staaten haben zu lange beide Augen zugedrückt. Keiner wollte das heiße Eisen wirklich anfassen. Und solange Viktor Orban Teil der konservativen Parteienfamilie im Europaparlament war, zu der auch CDU und CSU gehören, hatte er geradezu Narrenfreiheit. Zudem kam in den vergangenen Jahren eine Krise nach der anderen, in denen man bei wichtigen Abstimmungen auf die Stimme Ungarns angewiesen war. Dann hat man ihn eben schalten und walten lassen.

Was müsste die EU tun, um solche Entwicklungen in Zukunft zu vermeiden? Ungarn übernimmt nun sogar die Ratspräsidentschaft.

Das wäre ziemlich einfach. Es müssten etwa Kriterien festgelegt werden, die von einem Land erfüllt werden müssen, um den Vorsitz zu übernehmen. Ein Ausschlusskriterium wäre etwa, dass ein Vertragsverletzungsverfahren läuft – wie es bei Ungarn der Fall ist. Dasselbe sollte gelten für Verstöße gegen die Prinzipien des Rechtsstaates oder bei Korruptionsermittlungen. Hätte man jetzt schon solche Regeln, könnte Ungarn die Ratspräsidentschaft nicht übernehmen.

Im Moment scheint die Lage verfahren und Premier Orban nicht gewillt, etwas zu ändern. Wo sehen Sie Ungarn in zehn Jahren?

Ich kämpfe mit der großen Mehrheit der Abgeordneten im Parlament dafür, dass wir in zehn Jahren ein demokratisches Ungarn haben, in dem der Regierungschef nicht mehr Viktor Orban heißt. Dass das Land ein guter und stabiler Partner in unserer Europäischen Union ist. Das Beispiel Ungarn zeigt, dass das keine Selbstverständlichkeit ist und wir alle die Demokratie verteidigen müssen.

Zur Person

Kritiker
Nach Jahren der Auseinandersetzung ist Daniel Freund (39) so etwas wie der Lieblingsfeind der ungarischen Regierung. Der Grünen-Politiker prangert die demokratischen Defizite und die Korruption in dem Land an. Er konnte mit durchsetzen, dass Orbans Regierung und der PiS-Regierung in Polen der Großteil ihrer EU-Gelder eingefroren wurden, solange sie Demokratie und Rechtsstaat weiter attackieren. Freund sitzt seit 2019 für die Grünen im EU-Parlament.