Der Kosovo hatte sich 2008 für unabhängig von Serbien erklärt. Ein Abnabelungsprozess, der noch anhält – mit Auswirkungen auf die EM.

Politik/ Baden-Württemberg: Christian Gottschalk (cgo)

Albanische und kroatische Fußballfans sollen feindselige Gesänge gegen Serbien angestimmt haben. Es ist ein seit Jahrhunderten schwelender Konflikt, der aus dem Balkan in die Stadien der Europameisterschaft nach Deutschland getragen wird. Anlass dafür ist der Streit um ein Land, das bei der EM gar nicht vertreten ist, es geht um den Kosovo.

 

Der Anerkennungsprozess dauert an

Der Kosovo hatte sich 2008 für unabhängig von Serbien erklärt. Ein Abnabelungsprozess, der noch anhält. Insgesamt 117 Länder haben den Staat inzwischen anerkannt, darunter Deutschland. Nicht so Serbien, China, Russland – aber auch Staaten der Europäischen Union. Griechenland, Rumänien, die Slowakei, Spanien und Zypern erkennen die Republik Kosovo bis heute ebenfalls nicht an. Durch gegenseitige militärische Drohungen zwischen dem Kosovo und Serbien ist der Streit unlängst erneut für eine breite Öffentlichkeit sichtbar geworden – in der Region schwelt er schon lange.

So richtig ruhig und friedlich ist es zwischen der albanischen Bevölkerungsmehrheit und der serbischen Minderheit im Norden des Landes nämlich seit der Unabhängigkeit nie gewesen. Vor zwei Jahren eskalierte zum Beispiel ein Streit um Reisepässe und Autokennzeichen. Die kosovarische Regierung hatte erklärt, bei der Einreise keine serbischen Personalausweise mehr zu akzeptieren. Ein harter Schlag für die serbische Bevölkerungsgruppe im Kosovo. Zuvor hatte Serbien erklärt, keine kosovarischen Dokumente mehr anzuerkennen. Der EU gelang es schließlich, im Streit zu vermitteln.

Debatte um Pässe und Nummernschilder

Hitzig zu ging es auch bei der Debatte um Nummernschilder. Für Menschen mit kosovarischen Kennzeichen galt schon seit mehreren Jahren, dass sie bei der Einreise nach Serbien vorübergehend ein serbisches Kennzeichen verwenden mussten. Auch der Kosovo kündigte eine solche Regelung für Menschen mit serbischem Pass an, verschob den Beginn dieser Maßnahme aber wiederholt nach hinten. Ende Oktober 2022 verloren serbische Autokennzeichen formell ihre Gültigkeit. Vor allem im serbisch geprägten Nord-Kosovo kam es zu Protesten. Auch hier vermittelte die EU.

Der Konflikt um den Kosovo, der etwa halb so groß ist wie Hessen, hat eine lange Vorgeschichte. Die reicht zurück bis in das 14. Jahrhundert. Sowohl die serbische als auch die kosovo-albanische Nationalgeschichte betrachtet die Region als Ursprung ihrer Nation. Beide Länder begründen daraus ihre Ansprüche auf das Gebiet. In den 1980er-Jahren protestierte die kosovo-albanische Bevölkerung zunehmend für eine Unabhängigkeit, das hatte ein gewaltsames Einschreiten der serbischen Sonderpolizei im Kosovo zur Folge. Die serbische Regierung antwortete auf den bewaffneten Widerstand der Kosovaren mit äußerster Gewalt, auch gegen die Zivilbevölkerung. Nach dem Scheitern der Friedensverhandlungen zwischen Kosovo-Albanern und Serben im März 1999 in Paris begann die Nato ohne UN-Mandat und unter deutscher Beteiligung mit Luftangriffen auf strategische Ziele in Serbien und Montenegro sowie dem Kosovo. Die serbischen Truppen zogen aus dem Kosovo ab, der Krieg war beendet.

Abspaltung vom ehemaligen Jugoslawien

Schon zu Beginn der 90er Jahre war es zu einem bewaffneten Konflikt zwischen Serben und Kroaten gekommen. Die unabhängigkeits- und Abspaltungsbemühungen Kroatiens vom ehemaligen Jugoslawien traf bei den Serben auf große Gegenwehr. Das schwierige Verhältnis aus der Geschichte macht sich immer wieder im täglichen Leben bemerkbar – wie jetzt bei der Fußball EM in Deutschland