Fünfhundert Euro auf der Nase können eigentlich nur belastend sein, findet unser Kolumnist Bartek von den Orsons. Früher oder später setzt man sich eh drauf.

Wem ist noch keine ins Essen gefallen? Wer hat sie nicht im Taxi neben sich vergessen? Und wer hat sich noch nicht im Freibad draufgesetzt? Richtig, es geht heute um Sonnenbrillen.

 

Das Nervigste am Sommer: Sonnenbrillen

Mir fällt spontan nichts Nervigeres ein, als wenn jemand eine teure Sonnenbrille besitzt. Ständig friemelt dieser Mensch das Accessoire aus dem eigens dafür mitgeführten Etui, verstaut es nach einigen Minuten wieder darin, nur, um dann kurze Zeit später genau dasselbe affige Ritual wieder vorzuführen, weil das Wölkchen am Himmel jetzt doch wieder weg ist. Immer penibelst bedacht darauf, die Gläser nicht zu berühren oder den Bügel nicht zu überdehnen. Und dann erzählt jener Mensch Geschichten über seine Brille, wie er sie einmal fast verloren geglaubt hatte in New York (da hatte er sie auch gekauft) oder wie er sie sich aus einem Hotel hat extra zuschicken lassen nach Hause, weil hihi, manchmal lässt man das teure Ding ja auch achtlos liegen. Als hätte dieser Mensch eine Katze, so redet er über sein Utensil, das in meinen Augen ein ganz gewöhnlicher Gebrauchsgegenstand ist und das er auch in geschlossenen Räumen auf seiner Nase sitzen hat und so tut, als wäre nix.

Feel free to see

Ist es nicht ein eng anliegendes Korsett, dass man sich freiwillig überzieht, wenn man eine Sonnenbrille kauft, die teurer als acht Euro ist? Ständig muss man drauf aufpassen, traut sich dann gar nicht das Ding unter der Woche aufzusetzen und holt es nur bei besonderen Anlässen aus dem Leder-Etui.

Bei mir herrscht diesbezüglich eine einfache Regel: Wenn überhaupt eine Sonnenbrille, dann eine für acht Euro. Klar, ich verstehe, damit ist nicht gewährleistet, dass der UV-Schutz den Standards entspricht, dass damit einfach noch mehr Müll entsteht und dass man oft sieht, dass dies keine hochwertige Sonnenbrille ist. Aber dafür bin ich frei, ungebunden, kann mich wann ich will aus Versehen draufsetzen im Biergarten und kann sie jemandem ausleihen, der sie dann aus Versehen kaputt macht.

Sie darf ruhig mal beim Tretboot fahren am Schloss Monrepos ins Wasser fallen, beim Versuch einen Karpfen aus der Nähe zu betrachten. Es beschäftigt mich nicht länger als zehn Sekunden, wenn sie mir von der Nase gleitet und mit einem leisen Plopp in das Wasser fällt, in das ich auf keinen Fall greifen werde, um sie wieder herauszufischen.

„Mit Sonnenbrille gegenübersitzen ist unhöflich“

Zudem bin ich persönlich nach spätestens drei Minuten genervt, wenn ich eine Sonnenbrille tragen muss: Das Sichtfeld leidet irgendwie. Und ich fühle mich verkleidet. Außerdem finde ich es unhöflich, wenn man sich mit Freund:innen trifft und dann mit sonnenbebrillt dasitzt und redet und niemand weiß, ob die Person dahinter ein Nickerchen macht. Was ist denn mit dem guten alten Augenkontakt? Und sowieso: In geschlossenen Räumen, wenn man nicht gerade ein Popstar im Blitzlichtgewitter ist, sieht es sehr uncool aus, wenn eine Person for absolutely no reason die Augen vor Lichteinwirkung schützen möchte.

But why?

Wann braucht man wirklich eine Sonnenbrille? Auf einem Berg im Winter, gegen Schneeblindheit. Vielleicht kurz am Strand. Und beim Autofahren, wenn‘s sein muss. Der Rest ist unnötig. Meine Meinung.

Ich verstehe natürlich den ästhetischen Aspekt solch einer Sonnenbrille. Und dass sie auch Fashion Statement und als Markenzeichen wie bei Udo Lindenberg oder Heino fungieren kann. Aber muss sie denn so teuer sein, dass man ein Bohei um sie machen muss?

Eine kurze Zeit dachte ich, dass ich mit einer Brillenkette gut beraten wäre: Dann wäre das nicht so umständlich und nervig mit dem ständigen Sonnenbrille auf-und-abziehen und sie würde mir auch nicht noch mal in den See fallen. Aber als ich dann so ein Band hatte und das Ding überall entlangschrabbelte und hängen blieb, kam ich schnell zu Sinnen und legte es in die Schublade mit all den anderen Dingen, von denen ich mal gedacht habe: „Ach, das wäre doch witzig/cool/ne gute Idee.“

No Sonnenbrille, no Problem

Jede:r soll natürlich machen, wie er:sie denkt und die Sonnenbrille seiner:ihrer Wünsche tragen. Gerne aber darauf achten, wie sich das Gespräch mit dem Gegenüber verändert, wenn man im Gespräch die Brille abnimmt und Augenkontakt herstellt.

Probiert diesen Sommer mal Folgendes: Ihr geht in die Drogerie, einen Allzweckladen oder von mir aus in den Supermarkt, sucht dort aus dem drehbaren Ständer voller Sonnenbrillen eine aus – bis maximal 12 Euro. Und dann saugt ihr die Freiheit of not being attached to objects ein.

Schade natürlich, dass ihr sie – ob 120 oder 12 Euro – nach aktueller Wetterlage vorerst eh nicht brauchen werdet.

Euer Bartek